Manna vom Himmel

Blieb also immer noch die Frage wie man die Signatur unter die Erfassbarkeit von Luftraumüberwachungseinrichtungen drückt.

Die Antwort lieferte den Amerikanern - vollkommen frei Haus - die Sowjetunion. 1962 publizierte der Mathematiker und Physiker Piotr Ufimtsev eine Arbeit, die mathematische Formeln zur Errechnung des Radarquerschnitts von zweidimensionalen Flächen enthielt. Eigentlich hätte die Arbeit unter strengster Geheimhaltung bleiben müssen, doch kaum jemand verstand das Zahlenwerk und offenbar konnte auch niemand einen Bezug ins Praktische herstellen.

Beide Have Blue Prototypen sind abgestürtzt. Doch es hat gereicht um zu bestätigen was man wissen wollte - es flog und war furchtbar schwer zu orten.
Foto: U.S. Air Force

Kaum schneller als ein Jettrainer, ohne Selbstverteidigungsmöglichkeit und relativ unbeweglich wäre die F-117 bei Tag selbst für die älteste MiG ein gefundenes Fressen. Aber bei Nacht.....
Foto: U.S. Air Force

Bei den Skunk Works von Lockheed war das anders. Als man dort über Ufimtsev's Theorem stieß, war es das sprichwörtliche "Manna vom Himmel".

Die Formeln zeigten einen Weg vor, wie man Computersoftware zum errechnen von Radarsignaturen erstellen konnte.
Statt schlichtem ausprobieren könnte man jetzt - theoretisch - ein Flugzeug am Reißbrett entwerfen und seine Radarsignatur ermitteln, ohne auch nur ein einziges Stück Metall schneiden zu müssen.

"Aviation Week" aka "Aviation Leak"

Am 22. November 1988 präsentierte die U.S. Air Force den Stealth Bomber B-2A einer ausgewählten Besucherschar. Weniger als 500 Gäste und abgezählte 50 Medienvertretern wurde ein Blick auf das teuerste Flugzeug aller Zeiten gewährt.

Anders als bei der F-117A, bei der die Test- und Einsatzflüge über viele Jahre ausschließlich bei Nacht stattfanden, wollte man bei der aerodynamisch hochkomplexen B-2 keine Testflüge bei Nacht durchführen.

Mit hohem Aufwand wurde eine Besuchertribüne errichtet, die den Besuchern nur vorher berechnete Blickwinkel auf den Stealth-Bomber gewähren würde. Die exakte Form, die Steuerung, Triebwerksauslässe - all das würde geheim bleiben - so dachte man.

Die so aufwendigen und sorgsamen Bemühungen wurden durch ein Kleinflugzeug, dass mit einem Fotografen des populären Magazins "Aviation Week and Science Technology" das Gelände während der Präsentation überflog, zunichte gemacht. So sollte die Welt die B-2 zu Gesicht bekommen...

... doch "Aviation Week" war smarter.

Quod erat demonstrandum

Allerdings war mangels Rechenpower kein Computer von damals in der Lage dreidimensionale Formen zu errechnen. Die simple Antwort der Lockheed-Ingenieure auf dieses Problem - kein Rundungen - GAR KEINE! Statt dessen brach man die Oberfläche des Flugzeugs für die Software "Echo 1" in einzelne flache Facetten auf. Für jede dieser Flächen wurden einzelne gültige Werte erhoben, die am Schluss nur zusammengerechnet werden mussten.
Größtes Problem waren die Lufteinläufe für die Triebwerke. Diese wurden mit engmaschigen Metallgittern abgedeckt um als Fläche berechnet werden zu können.

Mit dem "Have Blue"-Programm - Erstflug 1978 - wurde die Machbarkeit mit zwei Technologieträgern unter Beweis gestellt. Und Lockheed's Skunk Works bekamen das "Go" für das "Senior Trend-Programm".
Der Auftrag lautete - Bau eines Unterschall-Angriffsflugzeuges, das zwei 1.000kg Bomben über einen Einsatzradius von mehr als 650km tragen kann - heraus kam die F-117A "Nighthawk".

Nicht nur auf die Radarsignatur wurde bei diesem Flugzeug Rücksicht genommen, auch der anderen verräterischen Signaturen nahm man sich an. Die größte Infrarotemission kam von den Triebwerksauslässen, sie wurden ganz flach geformt, um den Abgasstrahl schnell mit der Umgebungsluft zu mischen.

Um elektronische Emissionen zu vermeiden bekam das Flugzeug nur passive Sensoren zu Zielerfassung und Navigation über feindlichem Gebiet - ein Radar baute man gleich gar nicht ein. Außerdem wird bei Angriffen strikte Funkstille gewahrt. Einsätze bei Nacht minimieren das Risiko der visuellen Entdeckung und Flughöhen, in denen mit Kondensstreifen-Bildung zu rechnen ist, werden gemieden.
Weitere Maßnahmen waren, bei den Triebwerken auf den lauten Nachbrenner verzichten und auf rauchlosen Betrieb zu achten.

Der erste Kampfeinsatz der F-117A erfolgte im Zuge der Operation "Just Cause" in Panama und verlief eher enttäuschend. Umso "durchschlagender" der Erfolg des Flugzeugs während des Golfkrieges im Jänner und Februar 1991. Die F-117A war das einzige Flugzeug der Koalition gegen den Irak, dass mit Einsätzen auf Ziele in Bagdad beauftragt wurde. Die Hauptstadt war mit 60 Boden-Luft-Raketenstellungen und rund 3.000 Fliegerabwehrgeschützen extrem stark verteidigt. Mit 45 Flugzeugen und 60 Piloten wurden insgesamt 1.271 Kampfeinsätze geflogen und 1.814 Tonnen Bomben der lasergelenkten Typen GBU-10 & GBU-27 abgeworfen. Es gelang den F-117's zahllose wichtige Kommando-, Kontroll- und Kommunikations- Einrichtungen sowie viele andere Ziele ohne Verlust zu vernichten.

Supermächtig

Zum Zeitpunkt als die F-117's ihre Bomben auf den Irak warfen, näherte sich ein zweites Programm seiner Fertigstellung. Am 22. November 1988 war der B-2A "Spirit" - der "Stealth Bomber" - der Öffentlichkeit erstmals präsentiert worden. Die Veröffentlichung dieses, eineinhalb Jahrzehnte lang "schwarz" geführten, Programms war die unverblümte zur Schaustellung der absoluten luftfahrttechnologischen Überlegenheit der Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber dem Rest der Welt.
Keine andere Nation oder Organisation war auch nur annähernd willens oder in der Lage USD 45 Milliarden für die Entwicklung und den Bau von ganzen 21 Flugzeugen locker zu machen. Der "Stealth Bomber" repräsentiert eine von vielen Stufen auf dem Weg zur alleinigen Supermacht USA.

Allein schon die Optik verrät den Sprung in der Tarntechnologie, welche die B-2A gegenüber dem F-117A darstellt. Die Software war jetzt in der Lage auch die Signatur komplexer Formen zu errechnen. Und nicht nur das. Man war auch in der Lage ein Nurflügel-Fluggerät, dass gänzlich auf den Steuerschwanz verzichtete, zu kontrollieren.

Heute ist die B-2 eines der mächtigsten Waffensysteme der Welt. Sie ist in der Lage fast 17.000kg an präzisionsgelenkter Munition über globale Distanzen zu tragen und in einem Überflug auf bis zu 80 verschiedene Ziele abzuwerfen.

Der 5 Milliarden Dollar Flop

Irgendwann Mitte der 80er Jahre entsann die U.S.Navy einen Nachfolger für ihre veralteten Angriffsflugzeuge. Im Sinn hatte man ein Unterschallflugzeug mit hoher Lastkapazität und großer Reichweite - und es sollte "stealth" sein.
Zwei Konsortien bewarben sich um den Auftrag für das "Advanced Technology Aircraft" A-12 Avenger. Im Dezember 1987 bekamen McDonnell Douglas/General Dynamics den Auftrag.
Was folgte war eine Abfolge technischer und organisatorischer Revisionen, Abänderungen, Verzögerungen wegen technischen Problemen und Kosten- sowie Zeitüberschreitungen an allen Ecken und Enden. Kurz - eines der schlechtest gemanagten Flugzeugprogramme aller Zeiten.
Am 7. Jänner 1991 kündigte Verteidigungsminister Richard Cheney den Vertrag einseitig, nachdem der Marineminister kein zufriedenstellenden Antworten darauf geben konnte, wieso nach der Investition von USD 2 Mrd. nicht einmal ein Prototyp existierte. Doch war das nur der Tragödie erster Akt - das dicke Ende kam noch.
MDD & GD sahen die Schuld nicht bei sich und zogen vor Gericht, weil verrichtete Arbeiten und entstandene Kosten nicht mehr von der Navy bezahlt wurden. Am 19. Dezember 1995 gab der U.S. Court of Federal Claims dem Kläger recht, womit die nächste Runde eröffnet war. MDD & GD klagten die U.S. Navy auf USD 2,6 Mrd., die Navy ihrerseits behauptet nur USD 1,35 Mrd. schuldig geblieben zu sein. Der Prozess läuft noch heute.
Absehbar ist, dass die U.S Navy inkl. Prozesskosten und Zinsen über USD 5 Mrd. zahlen wird müssen....
5 Milliarden US Dollar - ein stolzer Preis für ein nicht flugfähiges Mockup, welches verstaubt in einem Hangar in Ft.Worth, Texas auf ein paar Enthusiasten wartet, um für ein Museum restauriert zu werden.
Foto: Martin Rosenkranz


Letzte Aktualisierung: 12.06.2003