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Mitten in eine relativ matte Draken - Nachfolgediskussion platzte im September 1998 die Nachricht daß für österreichische Piloten Flugstunden auf schwedischen Jaktviggen gekauft wurden.

Brigadier Bernecker, Chef der Luftabteilung im BMfLV: "Mit den Viggen - Flugstunden können wir den Draken entlasten da wir mit unserem Flugzeug nicht mehr die notwendige Anzahl an Flugstunden für alle gewährleisten können, das Ganze dient also der Erhaltung des Humanpotentials. Außerdem können wir so die Moral aufrechterhalten und wir können in Vorbereitung auf einen Draken - Nachfolger mit einem moderneren Muster Erfahrung sammeln. Das Flugstundenleasing bei der schwedischen Luftwaffe (Flygvapnet) ist völlig unabhängig von einem möglichen Ankauf des Saab JAS-39 "Gripen" und es wird nicht daran gedacht den Viggen in die Kandidatenliste für den Draken - Nachfolger aufzunehmen."

Seit März 1999 befinden sich nun 5 österreichische Piloten in Nordschweden. Von KALLAX / LULEÅ aus fliegen die Österreicher gemeinsam mit der Flygvapnet Staffel F-21.

Untere Reihe von links nach rechts
Hptm. Franz Six,
Hptm. Bernd Piff,
Hptm. Christian Tesar,
Hptm. Werner Kribitz,
Hptm. Jörg Sandhofer

LULEÅ liegt fast am Nordende des bottnischen Meerbusens etwa 100 km südlich des nördlichen Polarkreises, die Schweden nennen die Gegend "Norrbotens Län". Um sich in etwa die Entfernungen vorstellen zu können hier ein paar kleine Beispiele: Luleå ist von der schwedischen Hauptstadt etwa genauso weit entfernt wie Pristina im Kosovo von Wien oder etwa Rom, rund 735 km Luftlinie. Luleå ist von Wien fast 2.000 km weit entfernt, das sind etwa 300 km mehr als die Strecke Wien - Moskau.

LANDKARTE

TAFS interviewte Hauptmann Christian Tesar einen der 5 österreichischen Piloten in Schweden.

TAFS: Hr. Hauptmann, um ein bißchen Gefühl für "Norrboten" zu bekommen, wie sind dort die Umweltbedingungen, das Wetter. Der Polarkreis bietet ja für einen Österreicher sicherlich auch ungewöhnliches.

Die City...
und der Hafen von Luleå
Hauptmann Christian Tesar: "Als wir am 15. März hier ankamen herrschte hier noch tiefster Winter. Auf den Straßen gab es Schneefahrbahnen und es lagen überall ca. 40 cm Schnee. Die Temperaturen lagen tagsüber bei etwa 0 C° und fielen in der Nacht auf etwa - 10 C°. Dabei hatten wir noch Glück, 2 Wochen vor unserer Ankunft hatte es noch - 42 C°. Das Tageslicht war bereits mit Österreich vergleichbar und es wurde jeden Tag besser. Anfang Mai begann dann das Eis auf dem Meer zu schmelzen und ab Juni gab es dann schon Temperaturen von über 25°C und der letzte Schnee im Wald verschwand. Mit den hohen Temperaturen kamen dann leider auch die vielen Gelsen die einem das Leben schwer machen - man muß wirklich aufpassen, wenn man ein Fenster öffnet oder in den Wald geht. Faszinierend ist, daß es durchgehend Licht gibt, man wird fast nicht müde und schläft automatisch etwas weniger."

TAFS: Wie sieht denn der Tagesablauf aus ?

Hptm. Tesar: "Es ist sehr ähnlich wie in Österreich nur daß wir wesentlich öfters fliegen da wir in diesem halben Jahr auf 100 Stunden kommen sollen. Der Dienstbegimm ist um 07:30, um 07:45 gibt's das Wetterbriefing danach die Orders, etwa um 09:00 beginnt dann der Flugbetrieb. Zumittag gibt es ein Update zur Wetterlage und die Orders für den Nachmittag, alles in allem fliegen wir 4-6 Einsätze am Tag. Debriefing ist zwischen 15:45 und 16:00, Dienstende um 16:30."

TAFS: 4 - 6 Flüge am Tag, wie bereitet man sich darauf vor ?

Hptm. Tesar: "Das erfordert natürlich ein hohes Maß an Konzentration, man muß immer sehr gut vorbereitet sein um auch alle Schalter und Knöpfe in der richtigen Reihenfolge und zum richtigen Zeitpunkt zu benutzen. Die Vielfalt der Möglichkeiten des Systems erfordert sehr viel Übung."

TAFS: Und die Freizeit ?

Hptm. Tesar: "Hier gibt es eine Menge Freizeitmöglichkeiten und weil die Schweden sehr naturverbunden sind spielt sich auch der größte Teil der Freizeit in der Natur ab. Im Winter beschäftigt man sich hier mit Schneemobilfahren, Eisfischen, Eistauchen oder z.B. auch Schifahren an der Grenze zu Norwegen. Im Sommer geht man Segeln, Tauchen oder Fischen, überall sind vorbereitete Grillplätze und Holz zur freien Entnahme. Man kann sich Autos mieten und ein Rennen fahren, Folkrace heißt das, oder in eine Hallenbad gehen dort gibt es hervorragende Rutschbahnen."

TAFS: Zur Fliegerei jetzt. Ihr seit fertig ausgebildete Draken - Piloten. Wie hat sich eure Konvertierung zum Jaktviggen - Piloten gestaltet ?

Der erste Soloflug
Im Anflug auf KALLAX/LULEÅ
Hptm. Tesar: "Jeder von uns hat eine ganze Menge Simulatorflüge absolvieren müssen, insgesamt 30 Stunden waren das. Da bekommt man schon ein sehr gutes Gefühl für das Flugzeug obwohl der Simulator fix montiert ist und sich nicht bewegt. Das Bild wird digital eingespiegelt und man hat einen Blickwinkel von 120°, da sich das Bild in allen Achsen bewegt hat man den Eindruck als ob man wirklich fliegt. Der Simulator ist dem echten Flugzeug perfekt nachempfunden, nur die Landung ist etwas schwieriger. Auch der Einsatz der Waffen kann simuliert werden, SIDEWINDER und SKYFLASH können auf ein eingespieltes Ziel abgeschossen werden daß der Fluglehrer außerhalb des Simulators selbst steuert. In weiterer Folge gab es dann auch 4 Flüge mit dem SK-37 Doppelsitzer und danach sind wir schon in den JA-37C "Jaktviggen" Einsitzer umgestiegen."

TAFS: Gab es irgendwelche Umstellungsprobleme vom fliegen her gesehen ?

Hptm. Tesar: "Eigentlich nicht. In den Viggen ist sehr viel vom Draken eingeflossen man merkt das z.B. im Cockpit. Schalter und Instrumente haben fast die gleiche Position, von daher ist kaum Umgewöhnung nötig gewesen. Auch die schnelle Einsetzbarkeit wurde vom Draken her auch im Viggen verwirklicht, obwohl es ein INS (Internes Navigationssystem) gibt benötigen wir nur etwa 1 Minute vom Startbefehl bis zum Start. Vom fliegerischen Workload wurde sehr viel abgenommen, der Viggen ist relativ einfach zu fliegen. Es gibt sehr viele akustische und optische Warnungen für den Piloten und man kann weit höhere Anstellwinkel fliegen im Vergleich zum Draken. Das Handling ist weit nicht so kritisch wie beim Draken, aber das soll ja auch so sein denn immerhin ist der Viggen ja ein Flugzeug der 3. Generation."

TAFS: Wie hoch ist denn die Arbeitsbelastung im Cockpit ?

Hptm. Tesar: "Beim taktischen Einsatz gegen mehrere Ziele ist natürlich sehr viel zu tun im Cockpit, da ist man dann schon froh daß es zwei Displays und ein HUD im Cockpit gibt und das HOTAS voll verwirklicht ist. Man hat auch wesentlich mehr Platz im Cockpit alles ist sehr übersichtlich, im Draken kann man ja teilweise Schalter nur unter Verrenkungen erreichen. Das einzig Negative ist die Sitzposition, auf Grund der großen Finne mußte der Sitz sehr aufrecht eingebaut werden, was im Luftkampf Kreuzbeschwerden und Nackenverrenkungen hervorruft."

TAFS: Die Technik eines Jaktviggen ist ja weit moderner als die des Draken, wie arbeitet es sich damit ?

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Flug über das Staffelhauptquartier
Hptm. Tesar: "Ja, die Möglichkeiten die der Jaktviggen bietet sind toll. Aufgrund des Puls Doppler Radars ist die Welt für uns plötzlich eine völlig andere geworden. Auf einmal sieht man Ziele auf mittlere Entfernung, kann auf mehrere Ziele aufschalten und bekommt sie am taktischen Display zur Anzeige mit Bewegungsrichtung, Höhe, Geschwindigkeit und Entfernung. Auch die Look-down Fähigkeit, also Ziele von oben aus auch gegen den Boden erkennen zu können, ist für uns eine völlig neue Erfahrung. Ziele können mit "Quick lock" Programmen schnell erfaßt werden das ist eine unwahrscheinliche Erleichterung. Auch besonders erwähnenswert ist das Datalink bzw. das Fighterlink, das gegen mehrere Ziele bzw. bei Jamming eine erhebliche Übersicht gewährleistet, man kann untereinander "Speechless" kommunizieren und tatsächlich taktisch in einem heute vorstellbaren Szenario überleben. In der Praxis wird im BVR - Bereich ein Kampf begonnen, jedoch führt es auch zu einem close dogfight wenn das Ziel im "close fight" nicht überlegen ist. Durch die größere Übersicht gegenüber dem Draken kann das "Set up" bereits auf große Entfernungen feststellen d.h. der RLO (Radarleitoffizier) wird zwar benötigt, man übernimmt aber relativ früh um das Geschehen zu beeinflussen. Insgesamt gesehen wir dem Piloten bei so vielen Möglichkeiten sehr viel abverlangt."

TAFS: Wie läuft der Flugbetrieb gemeinsam mit den Schweden ?

Hptm. Tesar: "Absolut problemlos, wir sind hier sehr freundlich aufgenommen worden, alle sind sehr zuvorkommend und zwar nicht nur die Air Force Leute. Nachdem wir in der Ausbildung sind fliegen wir immer im Verband mit den Schweden, d.h. es fliegen nie Österreicher im gleichen Verband, was aber kein Problem ist. Im Jänner wurde im gesamten Geschwader Englisch als Verkehrssprache eingeführt und das Handling der Kontoller ist sehr einfach, auch im Luftkampf wird jetzt Englisch gesprochen. Wir haben uns sehr gut mit den Schweden zusammengelebt, was sich auch in den Luftkämpfen bewährt. Die Unterschiede zu uns sind nicht so groß, es gibt ähnliche Verfahren, natürlich haben die Schweden Vorteile, da sie den Luftkampf bzw. die taktischen "Set ups" bereits seit ihrem Beginn der Ausbildung fliegen. Der große Vorteil hier ist, daß das Militär absoluten Vorrang gegenüber dem zivilen Verkehr geniest - KALLAX / LULEÅ wird auch vom zivilen und Linienverkehr mitbenutzt. Schwierigkeiten in dem Sinn gab es eigentlich überhaupt keine. Worauf man besonders achten muß ist eventuell, daß viel vorausgesetzt wird d.h. daß weniger unterrichtet oder gebrieft wird, sondern daß jedem Piloten freigestellt wird, wie er den Flug plant und durchführt. In der Ausbildung wird der Pilot nicht so begleitet und angeleitet wie wir das in Österreich gewohnt sind. Da jeder alleine im Flugzeug sitzt muß jeder für sich selbst entscheiden, ob und wie er den Flug durchführt. Der einzige Unterschied ist, daß die Schweden in KALLAX auch über Mittag fliegen, jedoch nur hier in KALLAX. In der gesamten NORBOTTEN AREA leben nur 7 % der schwedischen Bevölkerung und daher gibt es relativ wenig Lärmbeschwerden.

TAFS: Wie sich jeder vorstellen kann hängt ja von der Draken - Nachfolge eure persönliche Zukunft ab. Euer Auftraggeber, die Politik, weis ja nicht so richtig was er mit euch anfangen soll, immerhin bleibt man ja schon seit einigen Jahren eine klare Entscheidung, n welche Richtung auch immer, einfach schuldig. Wie macht eine so rare "Spezies" wie ihr Draken - Piloten es seit, ich glaube es gibt noch rund 20 von euch, mit so unsicheren Aussichten eine persönliche Zukunftsplanung ?

Hptm. Tesar: "Derzeit gibt es nur mehr 19 Piloten und ein Ende der "Flucht" zu den zivilen Fluglinien ist nicht abzusehen. Was auch ganz klar ist, denn die zivilen Fluglinien locken mit guten Gehältern und einer sicheren Zukunft bis zur Pension, was beim Bundesheer nicht der Fall ist. Wir haben jetzt zwar gute Verträge erhalten, aber diese enden mit dem 51. Lebensjahr und was soll man anschließend tun? Vor allem für Piloten auf Zeit ist das ein Problem, denn wenn sie bis 50 bleiben und anschließend nicht übernommen werden, stehen sie auf der Straße und mit diesem Alter erhält man natürlich keinen Job mehr. Aber auch unser Vorschlag dann die Möglichkeit einer Frühpensionierung zu eröffnen, bei reduziertem Gehalt versteht sich - wie in Schweden, führte nur zu ungläubigem Kopfschütteln und der Ansicht, daß die Drakenpiloten verrückt sind. Dies bedingt natürlich, daß ein Pilot zwischen 30 bis 35 ,wenn er seine Verpflichtung ( 8 Jahre ) erfüllt hat, sich um einen Job bei der Linie umsieht, besonders dann, wenn die Zukunft so unsicher ist, wie in unserem Geschwader, wenn sich kein Politiker durchringen kann auch einmal eine unpopuläre Entscheidung zu treffen - Ankauf von Abfangjägern. Wir alle sind zwar sehr zuversichtlich, was den Ankauf von neuen Flugzeugen betrifft, man weiß jedoch nie, was noch alles geschehen kann. Ein gutes Zeichen ist auf jeden Fall, daß Anstrengungen in verschiedene Richtungen unternommen werden - Testen von möglichen Nachfolgemustern und die Viggenausbildung, aber nichtsdestotrotz muß man sagen, daß es traurig ist, daß es überhaupt soweit kommen mußte und wir nicht bereits seit 3 Jahren ein neues Muster haben - besonders im Hinblick auf die Geschehnisse der letzten Jahre (Jugoslawienkrise 1991.......). Was geht in uns vor - jeder hat natürlich seine persönliche Zukunftsplanung, einige bereiten sich auf einen möglichen Wechsel vor durch Besuchen verschiedener Kurse, andere haben ein zweites Standbein, aber alle hoffen natürlich auf eine positive Entscheidung, die uns hoffentlich noch in diesem Herbst ins Haus steht. Was danach geschieht, wenn die Entscheidung negativ ist oder überhaupt nicht getroffen wird, kann sich wohl jeder ausmalen.

TAFS: Herr Hauptmann ich wünsche Ihnen und Ihren Kameraden in Schweden "Glück ab - gut Land" und bedanke mich für das Interview

Hptm. Tesar: "Danke für das Interesse und die gut gemeinten Wünsche"

© - Text,Fotos,Grafik: Martin Rosenkranz

Letzte Aktualisierung: 02.08.99