www.airpower.at
Münchhausen's Enkel - oder "Top Gun" ist doch nur Kino...Mitflug in F-16D der USAF

Es gibt in unserer technisierten Freizeit- und Actionkultur wohl nicht mehr allzuviele Abenteuer die dem Puristen jenen "Kick" verschaffen können, wie es ein "Ritt" im Rücksitz eines modernen Kampfflugzeuges tut. Mit diesen absoluten Eindrücken in Kopf und Körper hat sich das Abenteuer jedoch auch schon erschöpft. Alles Andere darum herum hat - wider Erwarten - wenig mit den Klischees zu tun, die man sich dank den Segnungen Hollywoods so gemeinhin von der Welt jener "Kinnmuskelspanner" macht, die die Einen als Sci-Fi Super-Elite sehen, die Anderen schlicht als die Gladiatoren des "Weltpolizisten" USA. Welcher Betrachtungsweise man sich auch anschließt, Umfeld, Vorbereitungen, Ablauf und Verarbeitung einer sog. "Air-Combat-Training"-Mission hinterläßt einfach bleibende Eindrücke.

Irgendwie bin ich geneigt zu behaupten, daß die Summe jener Eindrücke die Einstellung eines jeden heutigen Österreichers zu Luftstreitkräften generell verändern würde, nicht nur die des Luftfahrt-Journalisten. Doch Philosophie alleine erklärt weder die F-16 noch Aviano. 45 km westlich von Udine, am Südhang der Dolomiten gelegen, ist Aviano letzter großer Flug-Stützpunkt des NATO-Süd Kommandos AFSOUTH und seit 1994 Hauptausgangspunkt der täglichen Bosnien-Patrouillenflüge. Durch den tragischen Unfall von Cavalese sind die Piloten von Aviano seitdem in aller Munde, auch außerhalb Italiens. Dies irgendwo im Hinterkopf, treffe ich Montag morgens an der Haupteinfahrt der riesigen Basis ein.

Tag X -1:
Doch gleich Losfliegen ist nicht. Hat man einmal die monatelangen Vorlaufzeiten abgewartet, die vom Ansuchen beim Wiener US-Air Attachee, über die vielen Faxe mit der Pressestelle in Aviano und dem US Air Force Europe-Hauptquartier in Ramstein bis zu den Terminverschiebungen wegen der neuen Irak-Krise vergangen sind, weiß man das jedoch schon. Schnell geht gar nichts, wenn es um den Mitflug eines Zivilisten und Nicht-NATO-Staatsbürgers bei einer aktiven Einheit der USAF geht. Genau müssen vorher der mediale Zweck des Ansuchens und die genauen Details bekanntgegeben werden. Zudem sind die wenigen Zweisitzer der Serie F-16D schwer für Trainings- und Auffrischungsflüge verplant und nur für wenige Stunden pro Monat frei.

Doch jetzt bin ich hier. Endlich. Im Jeep des Presse-Sergants entsteht eine Ahnung von der Ausdehung der Anlagen. Soviele verschiendene Jets bzw. -Versionen, Hangars, Antennenanlagen und Flugzeugschutzbauten usw., daß sich dem Fachmann hundert Fragen aufdrängen.

Maschinen vom Cavalese-Unglückstyp "EA-6B Prowler"
Doch entweder weiß er nicht allzuviel über Technik und Zweck, oder er darf nicht. Rege Bautätigkeit herrscht allethalben und die USAF richtet sich offenbar ein, hier noch lange Zeit zu bleiben. Alle Anlagen sind klimatisiert, hell gefärbt und von Grünflächen umgeben. Darüber donnern die verschiedenen Maschinen der Bosnien-Missionen nach Südosten, so wie es auch mir laut Befehl versprochen ist. Nach einem schnellen Kaffee und Donuts in der Pressestelle erhalte ich ein Clip-Board mit Laufzetteln zu absolvieren. Die Public-Affairs steht übrigens unter der Leitung eines kompetenten und charmanten weiblichen Hauptmanns, die vorbereitete detallierte Fact-Sheets über alle Einheiten rausrückt. Mein Flug ist für morgen mittag angesetzt, "tomorrow 1300". Wieder keine Zeit für lange Fragen und Antworten, schon steht der erste Punkt der Vorbereitungen an. Kaum eine Stunde bin ich nun hier.

Shelter sind in der Fachsprache jene halb-tonnenförmigen Flugzeugbunker, die die teuren Maschinen vor Luftangriffen schützen sollen und deren Zerstörung man im Golfkrieg live auf CNN sehen konnte. In einem solchen ist statt eines Hangars ein zweistöckiges Blechgebäude eingebaut. Hier soll ich das sog. Eject- und Egress-Training absolvieren, die Notfallsmaßnahmen und -techniken kennen- und beherrschen lernen. Das jene auch hier in Aviano blitzartig wichtig und existentiell werden können, hat 1995 der F-16 Pilot Scott O'Grady nach dem Treffer einer serbischen SAM-6 Rakete durchlebt und bestätigt. Von ihm spricht auch ein stämmiger Master-Sergant dauernd. Er führt mich zu einem F-16 Cockpit, daß mitten im Raum steht und in das zuerst das richtige Einsteigen geübt wird. Hier sind die Instrumente nur aufgeklebt und lediglich die lebenswichtigen Schalter, Lämpchen und Griffe funktionieren. Er meint lapidar, daß ich morgen die Checks und Schalter für Kommunikationswahl, Sauerstoffgemisch und- zufuhr, Sitzverstellung, Helligkeit der Schirme und Scharfmachen des Schleudersitzes selbst vornehmen muß. Der Pilot würde morgen selbstverständlich annehmen, ich hätte die Handgriffe und Bezeichnungen so intus wie er selbst. Zu diesem Zweck erhalte ich eine kopierte Ansicht des Cockpits als "Bettlektüre". 12x "o.K." oder "checked" geantwortet, sonst würde ich wieder aussteigen. Na toll. Die Anschnall- und vor allem die Losschnallprozeduren verwirren zuerst, speziell wenn man immer wieder hört, von den 5 Schnallen und zwei Steckern hinge dein Leben ab. Total relaxed und trocken erklärt man mir nun, was alles schiefgehen kann und was ich dann zu tun hätte.

Der Instruktor erklärt eindringlich, daß der Pilot keinesfalls etwas von "Aussteigen" über Sprechfunk sagen würde, wenn es nicht notwendig würde. Sollte er es sagen, bliebe maximal eine Minute, über deren Ablauf ich für den Abend davor auch ein Merkblatt erhalte. Speziell die Sitzposition und das Zurückbiegen des Kopfes würde hier entscheiden, ob man intakt oder gelähmt am Boden (oder im Wasser) ankommt. Das Kommando ist dann dreimal "bail-out". Beim ersten "geht" die Cockpithaube, beim zweiten ist man eigentlich schon alleine, dann "geht" man selbst. Jeweils 1 Sek. Abstand. Eine "nachträgliche Modifikation" aus Unfallanalysen beeindruckt mich besonders. Mit einem kleinen Hebel kann ich die Abfolge umkehren, wenn der Pilot stirbt, in der Maschine verbleibt und nur ich aussteigen will.... Das erlebnishungrige Grinsen vergeht langsam. Speziell dann, als mein "Lehrmeister" einschärft, daß Kamera und Objektiv im Ernstfall im Cockpit bleiben, sie würden mich beim Ausstieg erschlagen.

Panik kommt schließlich in mir auf, als man mir erstmals Gentex-Helm und Sauerstoffmaske aufsetzt. Sofort beschlagen meine Brillen! Wie soll ich meine Air-to-Air Fotos von den anderen Maschinen machen? Keine Sorge, gleich hinter dem Schleudersitzgriff zwischen den Beinen, ist eine große Frischluftdüse, aber Vorsicht, nicht verwechseln! Ich fingere unsicher daran herum. Auf Zuschrei soll ich plötzlich unvermittelt die ganzen Schritte laut wiederholen, beim zweitenmal klappts und ich springe ohne Leiter aus dem Cockpit, das Funkkabel gewollt abreißend. Es folgt noch die Erklärung, wie man am Fallschirm hängt und wie man versuchen soll, durch Bäume oder Hochspannungsleitungen zu fallen, wie das Schlauchboot, das Not-Funkgerät, die Pistole usw. funktioniert. Die Beretta in der Hand riegelt meine Auffassungsgabe bei Anti-Hai Pulver und Meerwasser-Entsalzungspillen langsam ab. Irgendwie bin ich sicher, einen echten Ausstieg sowieso nicht zu überleben. Es reicht. Laufzettel abzeichnen. Mutlos und etwas demoralisiert stapfe ich mit dem Pressetypen wieder von dannen. Der Super-Whopperburger - ja es ist schon zu mittag ! - schmeckt nicht so richtig. Ich schwärme ein halbes Leben für Fast-Jets, jetzt denke ich mir, daß ich mir zuviel zugemutet hätte. Aber, was solls. Die Fotos, ja die Fotos müssen super werden, Du mußt fliegen, du wolltest nichts anderes, immer schon......

Medics-Check at 1400: Neues Medical-Center im Ort Aviano, Hi-Tech Krankenrevier. Auch für die Angehörigen der ca. 2.800 Servicemen- and woman. Zwischen Militärangehörigen aller Hauptfarben und beiderlei Geschlechts im Tarnanzug, sowie deren Kindern, sitze ich im Warteraum. Alle sind furchtbar nett, waren schon in Kärnten und wünschen mir alles Gute. Ich lächle wieder. Nach dem Aufruf gleich Probleme. Zuerst findet der Computer keine Möglichkeit der Daseinsberchtigung für die Kombination Zivilist und gleichzeitig Nicht-NATO-Citizen. Nicht vorgesehen, daß hier ein Österreicher aufkreuzt und fliegen gehen auch noch... Aber klar, es ist auch noch keiner dagewesen, andererseits. Gemeinsam schaffen wir es zu dritt, daß der Cursor endlich weiterspringt. Weiters- und viel ernster - stellt sich heraus, daß ich noch in keiner Unterdruck-Kammer war. Wo denn auch? Die der NATO sei in Beauvauchamps in Belgien. Ich bin zwar schon oft in Militärmaschinen mitgeflogen, aber eben noch nicht in Fast-Jets. Ohne Druckkammer-Test könne ich nur auf 18.000 ft (ca. 6.000 m) gehen. Ich solle dies dem Piloten sagen, es wird auch dick in einem meiner Laufzettel vermerkt. Na wieder mal toll! Dann folgt Blutdruckmessen, Belastungs-EKG etc. und dann endlich rein zum Fliegerarzt.

Ich bin schwer überrascht. Kein richtiger Arzt in Weiß, sondern ein Fighter-Pilot im Overall. Schwarzhaarig, schlank, Stanizelfigur. Er ist neben dem Staffeldienst auch Fliegerarzt und wolle mir alle Fragen beantworten, die ich hätte. Und ob, so vieles hat sich angestaut! Nach einer Stunde bin ich wesentlich gescheiter und auch wieder ruhiger. Ein Super-Typ, hat mir tatsächlich alle Angst und Bedenken genommen die ich vom Vormittag hatte. Speziell zum Themenkreis Luftkrankheit, Übelkeit, Erbrechen. Ja ich solle deshalb üppig frühstücken und ja nicht gar nichts essen! Vor dem Einsatz dann nur einen Riegel und ein Juice oder so. Keine Schande, durch seinen "Zweitjob" käme er auch manchmal länger nicht zum fliegen und dann würde es ihn manchmal auch erwischen... Die kleinen Plastiktüten vorbereiten und überall in die Kombi stecken solle ich, der Pilot würde immer auf mich hören und ich solle ihm sagen, jetzt...! Nur eines schärft er mir ganz besonders eindringlich ein. 100x vorher üben, wie die Maske aufgeht, auf keinen Fall in die Maske erbrechen. Dies könnte das Ende sein, gefrorenes Erbrochenes, kein Sauerstoff, keine Kommunikation.... Auch mit welchen Muskelkontraktionen im Abdominalbereich man den G-Kräften die da kämen, etwas entgegenarbeiten könnte, zeigt und schreit er mir vor. Jaja, schreien würden sie alle mal über 5 G, ich solle es bloß rauslassen. Nach einem Lungenvolumentest werde ich mit einem Schulterklopfen "airworthy" also flugtauglich geschrieben, bis 18.000 fts allerdings.

Na egal, wieder motiviert will ich jetzt unbedingt zu "meiner" Staffel, mit den eingeteilten Piloten wegen der Fotos sprechen und erfahren, was morgen überhaupt "ansteht". Ich rechne mit einem kombinierten Bodenangriffs-Übungsflug, mit Formationen wenigst zum Teil abgestimmt auf meine Fotowünsche. Also zum dritten Mal aufs andere Ende der Base. 50m von den bekannten EA-6B Prowler-Unglücksmaschinen der Marines entfernt ist die flache Unterkunft der 510. TFS (Tactical Fighter Squadron), gennant die "Buzzards".

Einsatztafel der "Buzzards". Mein Flug steht schon drauf.
Hi, sagt der diensthabende Einsatzoffizier nur, immerhin er weiß schon, daß morgen ein "Austrian Photographer" mitfliegen wird, die beiden Worte stehen schon unter Anmerkungen bei der Flugeinteilung für morgen auf der großen Wandtafel hinter ihm. Mein Pilot sei Obstlt. Dave NICHOLS, der Staffelkommandant selbst. Er schreibt meinen Namen dazu und gibt mir das Rufzeichen "Shutter", wohl abgeleitet vom Kameraverschluß. Meine Brust schwillt etwas. Lässig mit einem Coke in der Hand lehne ich dort und frage ihn, was eigentlich morgen für ein Einsatz anstehen würde. Seine Antwort stutzt meine Moral wieder auf jenes Maß zurück, das ich vormittag hatte . Tja, ich solle mich freuen, für morgen ist ein Luftkampf-Training angesetzt, endlich wieder mal nach den langen Wochen der Patrouillen. Der "Boss" würde die Bösen anführen, drei Agressors gegen vier "Gute". Jaja keine Angst - wie sieht er diese meine Angst bloß ? - "Face" wie sein Rufzeichen sei, würde mich schon heil wieder zurückbringen, er sei wirklich super. Aber heute wäre er nicht mehr hier.

Danke. Ende. Ich wollte es ja so, na klar. Also für mich ausgerechnet die "hohe Schule", das Schlimmste vom Schlimmen. Alle Arten von schrecklichen und abartigen Manövern verbunden mit positiven und negativen G-Kräften erwarten mich. Die sind in der F-16 dank des 30 Grad zurückgeneigten Sitzes zwar leichter zu "packen", werden aber deswegen immer wieder und mehr als in anderen Typen geflogen. Tausend Sachen möchte ich gleichzeitig fragen, aber alle rundherum grinsen nur, verarschen mich auch noch. Offensichtlich blicke ich recht belämmert. Wo sie meine Sachen hinschicken sollten, ob sie meine Schuhe haben könnten und meine Kamera, wielange man in Italien mit unseren Nummern fahren könne etc. Geknickt trolle ich mich ins Hotel. Kein Appetit. Aber was solls, morgen wird "der Tag", also positives Denken, wie alle die ich heute getroffen habe, es vorexerziert haben. Irgendwann nach Mitternacht schlafe ich dann mit den beiden Cockpit-Check-Blättern in der Hand ein.

Tag X:
Ich wache zwar nicht erfrischt, aber gut motiviert auf. Ein Gedanken hilft: Ich bin einer der ganz wenigen Österreicher, die - von unseren paar evaluierenden Heerespiloten abgesehen - in einer F-16 der letzten Version sitzen werden. Und es wird Luftkampf geben, das Härteste das Mensch und Maschine zu bieten haben werden. Also, üppiges Frühstück und dann zum Stützpunkt. Um 9 Uhr betrete ich wieder die Staffel, der Pressesergant will sich gleich wieder verabschieden. Ich ersuche ihn noch, die Telefonnummer meiner Freundin aufzuschreiben, nur für den Fall, daß...... Das klingt vielleicht zwar theatralisch, aber vor einem ein paar Monaten ist ein Pilot der "Buzzards" bei einem Übungsflug in die Adria gestürtzt und dann: Cavalese..

Dann bleibt keine Minute mehr, um nachzudenken. Der Einatzoffizier schickt mich zum Einkleiden.

Fertig "verpackt" zum Flug
Zuerst ist schnell ein bequemer Fliegeroverall gefunden, der paßt. Doch dann heißt es, wir gehen über See und da muß der - auch von den Piloten - verhaßte steife wasserfeste Überlebensanzug getragen werden. Also rein in einen Netz-Underall und in die schwere Kombi mit Socken dran. Die Füße sind sowohl beim Ausstieg als auch bei Feuer und im Wasser am meisten gefährdet, wohl deswegen wirft ein rothaariger Typ aus der Ausrüstung sodann lächelnd meine mitgebrachten Schnürstiefel hinter sich und gibt mir solche doppelt geschnürten Stiefel wie sie alle hier tragen. Als nächstes folgt das Anmessen der G-Hose, oder der sog. "Speed-Jeans". Eine breite Art Bauch und Rückenbinde, deren angehakte Fortsätze die Ober- und Unterschenkel umschließen und sich bei G-Kräften schraubstockartig aufbläst. So soll verhindert werden, daß sich mein Blut vornehmlich in die Beine verabschiedet und nicht im Kopf bleibt. Alle sagen mir - während sie die ihnen natürlich bereits angemessene - Ausrüstung anlegen, wie toll dieses Gefühl ist, wenn man zusammengepresst wird. Kanns kaum erwarten. Nach und nach - es ist fast 11 Uhr - bin ich um ca. 25 kg schwerer geworden und schwitze wie verrückt. Darüber kommt jetzt noch das ganze Gurtzeug mit den Schnallen, das ich von gestern schon kenne, der U-förmigen Wulst der Schwimmweste und die Handschuhe aus eingegrüntem Känguruhleder. Mein Teleobjektiv wandert in die Lasche der Schwimmweste auf der Brust, die Filmrollen in die linke äußere Wadentasche der G-Hose. Rechts außen eine kleine Wasserflasche mit Mundstück, links innen ist der - bereits angeschlossene - Sack fürs kleine Geschäft eingearbeitet und er wird auch gleich benutzt. Niemals könnte ich mich jetzt alleine ausziehen. Meine kleinen Tüten falte ich zusammen in einige Falten der G-Hose. Gegen weitere Laufzettel erhalte ich dann noch meinen Helm und meine Maske, an der ich sogleich zu üben beginne. Auf und Zu, Auf und Zu, usw... Hoffentlich funktioniert das mit der Frischluftdüse, denn die Brillen beschlagen beim Ausatmen durch den oberen Rand der Maske ekelhaft.

Endlich fertig. Fix und fertig, schon jetzt. Ich muß trotzdem lachen, denn durch die Sitzposition in der F-16, also Knie etwa in Brusthöhe und nach hinten geneigt, sind auch die G-Anzüge darauf abgestimmt und alle gehen etwa wie Menschenaffen herum, leicht gebeugt, mit zu langen Armen und rausgedrücktem Hintern. Gemeinsam gehen wir zur Einsatzbesprechung und plötzlich heißt es, der "Boss" kommt. Und da ist er, 39 Jahre, durchtrainiert, leicht graumelliert, sympathisch. Er nimmt mich sofort unter seine Fittiche, hat mich schon gesucht. Keine Angst, nein er würde die Ventilation nicht zu warm einstellen, ich solle immer sofort sagen was ich will, ich könne immer mit ihm schnattern... Kurz, wir würden einfach Spaß haben ! Er zieht mich sofort in seinen Bann, beruhigt und weckt Neugier zugleich. Leader-Qualitäten, ohne Zweifel. Ich lächle wahrscheinlich eher schwach....

Das allgemeine Briefing für alle teilnehmenden Piloten ist eher kurz. Frequenzen, Luftstraßen, zu vermeidende Objekte wie Krankenhäuser usw. Ich muß kurz an das Briefing der Besatzung Ashby vom Marine-Corps denken, bevor sie ins Flimser-Tal geflogen ist....., aber weg damit, bringt jetzt nichts. Keiner hier sieht eigentlich wie ein wildgewordener Cowboy-Pilot aus. Alle sind ganz ruhig, optisch ganz easy. Keiner macht reißerische Scherze oder so. Das Auffälligste ist, daß das Briefing ein bißchen wie im Kino ist, alle knistern und knabbern in irgendwelchen Chips- und Smacks-Sackerln oder "zapfen" vorher frisches Pop-Corn. Dann stehen alle auf und gehen in getrennte Räume. Ich soll mit, deutet "Face". Es beginnen die getrennten, taktischen Briefings, wo sich alle einzeln bzw. in ihren Teams überlegen, was für Taktiken sie einsetzen werden und wie sie am erfolgreichsten sein könnten. Erst jetzt erfahre ich, was dann gleich genau ablaufen wird.

Wir drei Maschinen sind heute feindliche MiG-29. Da die Luftwaffe Belgrads die einzigen MiG-29 in der Region hat, ist leicht auszumalen wen wir simulieren und das wird auf meine Frage auch nicht verneint. Wir dürfen nur 70% unserer elektronischen Leistung einsetzen, denn Belgrads 29er sind Modell-A. Das Szenario ist etwa so angelegt: Wir drei patrouillieren - wie jeden Tag - hinter unserer Grenze oder Küste und die NATO, also die vier "Guten" über dem internationalen Luftraum. Auf Grund irgendeiner politischen Entscheidung in Belgrad, brechen wir heute plötzlich unerwartet über die Grenze heraus und attackieren die "Deliberate Guard"-Patrouille voll, gehen sie voll an. Toll, wollte ich ja immer schon mal, so oder ähnlich denke ich dabei....In der daraus entstehenden Kurbelei, müssen wir die Guten solange binden, bis deren - auf die unsrige Aggression sofort gestarteten - Vergeltungsjagdbomber dann ohne Jagdschutz in unseren Luftraum einfliegen müssen, was ein schwerer Nachteil ist. Hätte ich jedenfalls jetzt nicht gefragt, die hätten alle wieder vergessen, daß ich oben eigentlich Fotos machen will. So besprechen wir noch schnell, welche Formationen am Weg ins Übungsgebiet über der südlichen Adria für mich eingenommen werden und wie die Rufzeichen dazu lauten, wo die Sonne sein wird, etc. etc.

Dann gehts raus zum Chevy-Van, der uns zu den Sheltern bringt. Mit der ganzen Ausrüstung komme ich fast nicht auf den Hintersitz. Ein paar Minutuen später stoppt der Fahrer bei der ersten Maschine. Dave und ich qäulen sich raus. Da steht sie, die F-16D Block (Serie) 42. Die ganze Faszination und die Assoziationen zwischen Bubentraum und Computerspiel laufen vor mir ab und ich werde noch kleiner, angesichts des grauen, spitzen und auch grazilen High-Tech Paketes. Doch wie immer, keine Zeit. Der ganz junge Crew-Chief der zweiköpfigen Ground-Crew begrüßt mich, wünscht mir alles Gute und bedeutet mir rauf- und reinzusteigen. Ob ich die Cockpit-Instruktionen gelernt habe, will er wissen. Ich zeigs ihm als Antwort.

Staffelkommandant, Obstlt. Dave NICHOLS schwingt sich ins Cockpit
Gesäß auf den Kanzelrand, rechter Fuß reinschwingen und ganz rüber und einfädeln, Hände an die Instrumentenverkleidung. Linken Fuß reinheben und in den Martin-Baker ACES-II Schleudersitz hinsetzen. Der junge Unteroffizier hilft mir beim anschnallen der 5 Schnallen und 2 Stecker nach der gedrillten 1:2:1:2:1-Abfolge. Zum Schluß reicht er mir meine Kamera, die ich über alles drüberhänge. Helm und Maske aufsetzen, rasch rasch ! Ich bin drin. Ich mache das jetzt wirklich, das ist real! Herzklopfen und trockener Mund wird mir undeutlich bewußt.

Die Sitzposition im hinteren Sitz ist phänomenal. Ich habe das Gefühl, das Flugzeug "angezogen" zu bekommen, es zu tragen wie einen engen Pullover. Man sitzt richtig oben drauf, vor sich den Schirm für die Darstellung des Fluglage- und datenanzeige Blickfelddarstellungs-Displays das der Pilot hat.

Das hintere Cockpit einer F-16D
Unterhalb die beiden Multifunktionsbildschirme für Waffeneinsatz, Radarbild und/oder Zielmarkierungs- und Beleuchtungssysteme. Mir ist das alles wohl bekannt, schon oft habe ich darüber geschrieben. Ein unerwartetes Gefühl der Euphorie und des Ich-kann-Alles ist plötzlich da. Kein Stuerknüppel zwischen den Schenkeln, die Fingerspitzen berühren andächtig die beiden Multi-role Knüppel links und rechts. Der Schubhebel hat 52 Funktionen, ergonomisch berechnete Knöpfchen für Kommunikation und Waffenwahl ! Mittlerweile hat sich "Face" vorne etabliert und fragt mich plötzlich überlaut in meinem Helm ob ich bereit bin, einige Punkte mit ihm durchzugehen. Jetzt zeig, ob Du alles intus hast! Hot-mike switch: On, Ground-mike: Off, Screen-brightness: Day, Oxygen: 75%, usw. usw. Kein Fehler! Dave lobt mich, heißt mich erst jetzt herzlich willkommen beim 31. Geschwader und bei den "Buzzards". Er macht ab jetzt auf USAF-Werbebeauftragter, Jagdpilot und F-16-Fremdenführer in einer Person und hört für die nächsten 110 Minuten fast nicht mehr auf, zu mir zu sprechen. Das ist zwar für den Moment nervig, hilft mir aber sehr mich zu beruhigen und relaxt auf Details einzugehen, die mir erklärt. Letztlich verhilft er mir so auch zu tollen Photos, auf die ich mich konzentrieren kann. Doch das wird mir erst nach dem Flug bewußt. Jetzt geht es schnell. Dave "fährt" den Engine hoch, was jedoch nur als Vibrationen spürbar ist. Sobald wir Bordstrom haben, beginnen die Schirme vor mir alle zu leben und laufen offenbar ihre Selbst-Test Checks durch. Die Haube schließt sich lautlos und sofort saugt sich die Sauerstoffmaske aufs Gesicht und ich bekommen eiskaltes Sauerstoff-Außenluftgemisch.

Die Maske - lebensnotwendig in großen Höhen
Schmeckt etwas nach Gummi. Etwas klaustrophobisch wird mir kurz, aber die tolle ungestörte Rundumsicht ohne Streben und Dave's ständige Messages lenken davon ab. Wir gehen's an, meint er jetzt kurz. Nach dem ich den Rudercheck machen sollte, werden die Vibrationen stärker, draußen salutieren die beiden Techniker und fast unmerklich, dann immer schneller, rollen wir los. Mensch, was für ein Gefühl, die spürbare Masse mit der ich verbunden bin, die Kraft schon beim Rollen, denke ich. Wir rollen von unserem Shelter weg, die Sonne blendet mich kurz und jetzt sehe ich, wie überall F-16's aus den Bunkern rollen. Links warten spanische F/A-18s und ich bin plötzlich ungemein gut drauf. Was für eine Demonstration, was für ein Gefühl Teil davon zu sein. Ich muß über mich selber schmunzeln, denn ich habe plötzlich den unabdingbaren Gedanken, im falschen Land geboren zu sein !

Während wir zu dem Teil des Vorfeldes in der Nähe der Piste rollen, wo die Sicherheitsstifte mit den roten Fähnchen aus den Waffen und aus dem Fahrwerk gezogen werden, philosophiert "Face", daß er gegen alle westlichen und gegen die deutschen MiG-29 geflogen sei, und niemals die F-16C/42 gegen einen anderen Typ eintauschen würde. Der Typ sei nicht in allen Parametern absolute Spitze, doch der beste Mehrzweck-Flieger der Welt. Mit der Nachtsichtbrillen und -cockpit-Ausrüstung sei nun auch die Nacht zum Tag geworden. Wie gern, denke ich dabei, würde ich meinen Platz genau jetzt gegen so manche heimische Politiker tauschen die unsere Draken-Nachfolge so sehr verhindern! Dave lobt inzwischen schon jenen Kopfhörer-Typen, der sich draußen angesteckt hat, als seinen besten Waffenmixer. Ich mache noch ein paar Bilder von den angestellten Maschinen links und rechts, dann setzt Dave das Bild des am Lufteinlauf montierten LANTIRN-Behälters (Nacht-Navigations und Zielbeleuchtungssichtgerät) auf den linken unteren Schirm und fordert mich auf, einen winzigen Kirchturm am Horizont mit bloßem Auge zu suchen. Dann der Blick zurück ins Cockpit und auf dem Schirm ist die Uhr des Campanile riesengroß zu sehen. Nur die Uhr !! 13:03. "Clockcheck with the Padres", lacht Dave. Wir rollen auf die Startbahn.

Ruhepuls 200 auf der Startbahn in Aviano

Ein paar Bilder wieder von den beiden Maschinen die vor uns dran sind und dann. Dann ist es an uns, schnarrt Dave. Kein Donnerschlag, in den ersten Sekundenbruchteilen auch nur ein Losrollen. Doch dann meint man, etliche Dieselloks seien einem hinten aufgefahren und es würden immer mehr !! Fast lautlos nimmt der Schub laufend zu, scheint endlos vorhanden. Mund offen, heftiges Atmen, staunendes Krächzen aus meiner Kehle. Ohne Maske würde ich wohl ziemlich idiotisch aussehen. Unglaublich! Dave ruft irgendwelche Geschwindigkeiten, ich schlucke einmal und das Rütteln hört auf, die Maschine hebt sich, wohl nur für mich ruft er schon, daß er das Fahrwerk einfährt. Mein Helm haftet an der Kopfstütze des Sitzes, alles geht viel zu schnell für das Raktionstraining meines bisherigen Lebens. Dann glaube ich, nach rechts rauszufallen, denn das Cockpitglas endet auf der Höhe meiner Schultern und "Face" kurvt im Steigflug nach rechts. Unter mir ganz Venetien, rechts unten kommt die Küste unter aufgefächerten Wolken in Sicht. Ungehinderter Blick in alle Richtungen außer ein paar Grad nach hinten. Jetzt weiß ich, wieso: F-16 Fighting-"Falcon". Ein Blick auf den Höhenmesser sagt mir: 8000 Fuß oder 2.200m Höhe ! Das vielleicht 12 Sekunden nach dem Lösen der Bremsen! Ist ja irre!!

Ein Fighting Falcon begibt sich in sein Revier

Dave will wissen wie's mir geht, was ich sage. Kann nicht viel sagen, bin zu beschäftigt mit meinen Eindrücken. Nochmals Dave, eindringlicher. Ich soll immer sofort laut anworten, er muß wissen, daß ich noch da bin. Sonst müßte er den Einsatz abbrechen. Ob ich verstanden hätte? Yes Sir! Sofort ist er wieder im Plauderton. Na, toller Flieger, tolles Gefühl, hä? Oh ja, zweifellos. Er sagt mir, während wir durch dünne Wolkenschichten seigen, daß wir in unseren Übungsraum für die Gefechte fliegen würden und daß ich mich jetzt für meine Bilder klarmachen sollte. Wie besprochen erscheinen zwei andere Maschinen querab links unten und steigen zu uns heran. Dave sagt den beiden - wie gebrieft - was sie tun sollen, so wie ich es ihm beim Blick durch den Sucher sage. Toll, klappt super. Auch die Brillen beschlagen dank eiskalter Luft aus der Düse nicht, nur ist der Bildausschnitt kleiner weil ich die Kamera wegen der Maske nicht ganz ans Auge bringe. Aber die gewährten 10 Minuten dafür reichen, 2 Filme sind draußen.

Die "Bad-Boys" auf dem Weg ins Übungsgebiet
Beim Filmwechseln muß ich vorher Bescheid sagen, "Face" muß die Maschine ganz gerade halten, denn eine runtergefallene Filmrolle oder -dose würde ich nicht mehr erwischen und die könnte die Ruderpedale blockieren.....

O.k. "Shutter", noch Spezialwünsche oder finished, will Dave wissen. Es sei nun Zeit, meine Sachen sehr sehr gut zu verstauen, denn in wenigen Minuten würden wir die Spitze der Agressoren übernehmen und er würde immer ein Ohr auf mich haben, wenn möglich.... Gut. Ich bin bereit, so gut ein unter-durchschnittlich trainierter Österreicher, mit der Philosophie der 2.Republik aufgewachsen, dazu bereit sein kann, eine NATO-"Deliberate Guard" Patrouille anzugreifen. Meine Finger klammern sich an die Handgriffe am Cockpitrahmen, ich drücke mein Gesäß tief in den Sitz und benutze heftig das Säckchen in der linken Wadeninnenseite.. Ob ich bereit für einige G's-wäre plärrt "Face" noch und dann geht es los.

Vermutlich sind es keine menschlichen Laute, die ich jetzt von mir gebe, aber ich höre sie selber nicht. Das Gefühl beim Ansteigen des Drucks auf den Körper ist mit einem riesigen Handschuh vergleichbar, der die untere Hälfte des Körpers zusammenpresst. Von links und rechts kommen schwarze Wände aus realem Blutdruck bzw. -entzug, die mein Blickfeld einengen, während Schiffe und Bohrinseln mal rechts oben hinten, mal links unten auftauchen. Wolken, Sonne, Schatten und Horizont wechseln ständig und ich atme wie verrückt ein und aus, bis mir einfällt, daß ich laut Arzt stoßweise mit geschürzten Lippen pressatmen soll. Als ich das mache, wird gleich alles viel besser. Der Losgelassene da vorne, reißt die ca. 15 Tonnen wie verrückt nach links und rechts und ich muß kurz Übelkeit zurückdrängen.

Das also ist moderner Luftkampf !? Aber wo sind sie, die Gegner? Zwar rast eine F-16 einmal verkehrt auf Gegenkurs ober mir durch, dahinter die See. Aber wie Ziele ansprechen, ausfiltern, Gegenmaßnahmen einleiten usw? Gepreßt frage ich "Face", was eigentlich vor geht. Er brüllt und ächzt, ich solle den linken unteren Schirm ansehen, er würde mir das Radarbild drauflegen. Aha, jetzt kann ich mich zurechtfinden, denn studiert habe ich diese Schirme schon öfters in Fachmagazinen. Er erläutert Symbole darauf, während er mich lehrt, ihm den Radarwarnempfänger "abzunehmen" und zu überwachen. Wie ein echter "Backseater" eben. Wie ein Schnellaufzug steigen wir inzwischen, wieder von Ur-Kräften getreten. Kurz schaue ich auf den Höhenmesser im oberen rechten Eck des Head-Up Displays. 23.500 ft! Erschrocken rufe ich Dave und erinnere ihn ans 18.000-Limit ! "Face" meint nur er könne sich jetzt nicht um so einen Mist kümmern und erklärt mich soeben fit für über 18.000 ! Viel eindringlicher will er Feindlage-Meldungen von mir hören, während mir 3 oder 4 G plötzlich gar nicht mehr schlimm vorkommen und man selbst als Untrainierter unter diesen Bedingungen steigerungsfähig ist und dazulernt. Kein Gedanke an Erbrechen, hektisch schalte ich Menüs und Software-Filter ein und aus. "Face" kann ich jetzt nichts fragen, kann nur warten bis er was von mir will. Zu sehr brüllt und ächzt er da vorne herum, läßt uns durchs Firmament wirbeln, wie ein Herbstblatt. Mehrmals sehe ich eine andere Maschine groß in den Bildschirmen hängen, doch ist sie mir zu schnell weg um Entfernungsangaben dazu abzulesen. Alles zusammen ist es wie Super-Nintendo 64 in einer 3 Achsen-Hochschaubahn, während man mit Otto Wanz catcht. Keine Ahnung wieviel Zeit seit unserem "Fehdehandschuh" vergangen ist.

Verdammt! Ich habe nicht genug aufgepaßt, aber für Dave kam es wahrscheinlich nicht überraschend. Plötzlich hört er auf, Kurven zu ziehen oder Schub zu regeln. Er wackelt kurz mit den Flügeln und mir schlägt es - unvorbereitet - mit dem Helm links und rechts gegen die Kanzel. Tja, das Verteidigungsministerium bedauert...usw. Schlechte Nachrichten hätte er für mich, wir wären eben gestorben. Abgeschossen. Sein Ansatz hätte nicht funktioniert, leider. Wir hätten einen gekriegt, aber sein zweiter hätte uns gekriegt. Was solls ! Ich hatte den zweiten Gegner überhaupt nicht bemerkt....

Aber schon geht es wieder los, drei getrennt simulierte Gefechte insgesamt. In dritten Luftkampf - inzwischen habe ich schon einmal 8.8 G überstanden, war also kurzzeitig fast 800 kg schwer - war das Gefühl ein bronzenes Reiterstandbild zu sein, einfach unbeschreiblich. Mit weit geöffnetem Mund Euphorie herausstöhnend hatte ich mich doch ganz gut eingefügt, denke ich. Doch dann geschieht Unerwartetes. "Face" flucht gotteslästerlich und meint, so würde er ihn nicht kriegen.... Was macht er!? Er ruft etwas von Festhalten und bricht nach einem kurzen Hochziehen brutal nach rechts unten. Mit geweiteten Augen blicke ich auf irgendein Meer und irgendeine Küste. Alles wird immer größer und ich begreife, "Face" stürzt senkrecht in die Tiefe! Kurz denke ich an das Schlauchboot, doch dann wird es stockfinster. Ein absolut entsetzliches Gefühl entsteht. Meine Eingeweide wollen weiterstürzen, doch Dave reißt mit einem Urschrei die Nase wieder nach oben und von hinten kommen wieder die Dieselloks, sprich der Nachbrenner.

Der Nachbrenner sorgt für ordentlichen Schub
Jetzt sehe ich nur Sonne, sonst bin ich ganz Statue. Inzwischen weiß ich, was er will, nur kann ich nicht glauben, das ich das in meinem Leben mitmache. "Face" fliegt ein sog. High-Speed Jojo-Manöver. Wenn man im Nah-Luftkampf einen Gegner nicht in der horizontalen Ebene beikommen kann, ist es manchmal hilfreich, die Kurve des Gegners vertikal abzuschneiden. Nach dem Stürzen wird mit gewaltigem Energieüberschuss hochgestiegen und genau hinter ihn gelangt, während er in seiner Steilkurve kinetisch "verhungert" und sich wundert wo der Verfolger hingekommen ist, bis es zu spät ist...... Doch am oberen Ende des Jojo, tritt logisch, aber für mich vollkommen unerwartet etwas äußerst Widerliches auf, negative-G! Brutal leichter als die Erdbeschleunigung zu sein produziert ein Gefühl, dessen Resultat ich nicht mehr kontrollieren kann.

Die Maske, nicht in die Maske!! Aber ich habe schon den Mund voll! Ich muß Dave sagen, daß ich die Maske abnehme und ein Säckchen nehme! Ich schlucks wieder runter, murmle was ins Mikro und reiße mir voller Panik eine Nagelwurzel am Clips der Maske auf, was ich natürlich in der Situation nicht merke. Dann baumelt die Maske rechts, schon habe ich das Säckchen parat. Unglaubliche Erleichterung nach einer horriblen Erfahrung. Ganz kleine Todesangst, wegen der Sauerstoffzufuhr wenn es schiefgegangen wäre. Ich keuche doch schnell, merke die Flughöhe ohne Maske. Himalaya oder so! Also schnell einen großen Schluck Wasser und Maske wieder auf. Während meines stillen Kampfes hat "Face" unseren zweiten Luftsieg errungen, denn sein Ansatz war diesmal absolut spitze. Jubelnd darüber begrüßt er mich zurück in der Arena! Nach einer Tonnenrolle vor lauter Freude und weils so schön ist, erlöst mich seine Ankündigung, daß es jetzt genug wäre. 40 Minuten Dog-Fight waren das! Ich kann nicht glauben, daß ich das überstanden habe. Wir würden auf Nordkurs gehen und ich dürfe ein bißchen spielen, kündigt Dave an.

Dankbar und mit möglichst tapferer Stimme teile ich seine Euphorie hoffentlich überzeugend. Wir jagen knapp über eine Wolkendecke und rasen durch die kleinen Cummoli-Türme, die daraus herausstehen. Macht wirklich Spaß, das ist wirkliches Fliegen, wie bei Top-Gun mit "Maverick" und "Goose". Als ich vor Vergnügen zu summen beginne, hört er plötzlich auf und fordert mich auf, doch mal die Kontrolle zu übernehmen. Zuerst frage ich einmal zur Bestätigung nach und dann lehne ich zuerst ab, zu tief sind die Selbstzweifel. Doch er meint nur, ich solle selber erleben , was für ein tolles Flugzeug wir hier hätten. Während er das sagt, hat er schon die Hände in der Höhe und erschrocken fasse ich nach den beiden Sticks links und rechts. HOTAS und ich! HOTAS bedeutet Hands-on-Throttle-and-Stick. Man fliegt also die ganze Zeit, ohne die Hände von den beiden Knüppeln zu nehmen. Ich fliege die F-16! 300 Millionen in meinem beiden Händen! Mehr ahnen oder fühlen ist es, als richtiges Ziehen oder Drücken. Ich soll was tun, ruft "Face". Also atme ich tief durch, schiebe links kräftig rein und ziehe rechts ganz leicht. Wahnsinn! Wir steigen und steigen wie eine Rakete in den Himmel und ich juble vor Aufregung und Begeisterung. Die grünen Ziffern rasen und stehen bei 28.700 Fuß als Dave meint es reiche jetzt. Ich versuche noch ein paar gerissene Rollen, die dann immer in schlechte Tonnenrollen ausarten. Dann übernimmt er - mit Blick auf den Rest-Treibstoff - wieder und meint, daß wir für heute genug Spaß gehabt hätten und es jetzt wieder nach Hause ginge.

Ich bin glücklich und erschöpft. Wunderschön tauchen zuerst im LANTIRN, dann auch visuell die Alpen voraus auf und er kurvt nach links um sich in die Landeparameter von Aviano einzuordnen. Aus der Luft wird die riesige Ausdehnung der Basis nochmals sichtbar, dann geht es wie im Schrägaufzug nach links hängend nach unten, wobei mir wieder leicht, aber beherrschbar, übel wird.

Aviano - Airbase
Längst habe ich meine Maske - gegen jede Anweisung - abgenommen. Aus dem Landekurven-Slip noch ein paar letzte Fotos geschossen und schon werden die Shelter links und rechts schnell groß und wir setzen nach 1 Std. 43 min wieder auf. Die Landung ist eher unspektakulär und ähnelt einem Airliner.

Vorbei an britischen AWACS und US-Tankflugzeugen rollen wir zurück zum "Buzzards-Nest" und "Face" fragt mich derweil, ob ich Spaß gehabt hätte und ich und mein Cockpit auch sauber geblieben wäre. Beides kann ich nur uneingeschränkt bejahen und erst etwas später erfahre ich, daß man widrigenfalls das Cockpit selbst reinigen darf, und sei es mit der Zahnbürste. Als Dave um 180 Grad dreht und stoppt, geht auch schon die Haube auf und der Crew-Chief entert die Leiter. Auch er ist begeistert, daß nichts daneben ging und macht netterweise noch einige Erinnerungsfotos von mir im Cockpit.

Fototermin mit Dave
Die Fotosession geht dann mit Dave weiter als ich auch endlich aufstehen, mich umdrehen und runtersteigen kann. Was für eine Wohltat, die Beine auszustrecken! Wie überlebt man in einem Fighter bloß einen Überstellungsflug mit Luftbetankung um die halbe Welt? Ich kann fast nicht stehen und der Boden kommt mir so hart und widerspenstig vor, immer will ich hindurchtreten! Außerdem beginne ich furchtbar zu schütteln und zu frösteln, trotz +8 Grad. Na kein Wunder, meint "Face", ich sei ja durch und durch nassgeschwitzt! Ob mir irgendwas Aufregendes widerfahren sei, grinst er. Na sicher, das sei Außergewöhnlichste Erlebnis seit der ersten Frau gewesen, feixe ich zurück.....

Debriefing - die Manöver werden besprochen

Beim Debriefing, also der Einsatz-Nachbesprechung sind alle - auch ich - schon geduscht und umgezogen. Wie schön es war, den See- und Druckanzug auszuziehen kann ich gar nicht sagen. Hier erfahre ich nun, daß wir einmal abgeschossen wurden und zwei andere "erledigt" haben. Im Laufe der drei Gefechte sind wir Bösen zwar alle draufgegangen, habe jedoch in allen drei Szenarien die etwas überraschten NATO-Piloten solange aufgehalten, beschäftigt und dezimiert, daß ihre 30 Minuten später gestarteten Schützlinge alleine in "unser" Feindgebiet einfliegen mußten, was ihnen nicht gut bekam.....

Mir jedenfalls ist alles dann doch ganz gut bekommen und irgendwo hat er recht. "You'll never be the same, once riding the wings of thunder...!" Es war der erste Satz den mein Pilot als UASF-Kadett 1972 in Randolph AFB, Texas gehört hat.
Es stimmt, hundertprozentig....

Georg MADER, f. APA


© Text und Fotos: Georg Mader
© HTML: Kontakt - Autor & Webmaster
Letzte Aktualisierung: 05.11.1999