Zweistrahliger Europäer macht in Indien das Rennen
Nur noch Eurofighter und Rafale in Endauswahl um MMRCA

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IAF Air Chief Marshall Naik
Foto: Georg Mader

Alles in Bangalore was Rang und Namen hat.
Foto: Georg Mader

Der Tejas fliegt.
Foto: Georg Mader

Eingekeilt zwischen dem regionalen Rivalen China und dem als dessen militärischer Vasall angesehenen Pakistan, zeigt sich der Chef der Luftwaffe der größten Demokratie der Welt selbstbewusst. Er habe 10 Staffeln zu wenig, sagt IAF ACM Naik und streicht deswegen das Kunstflugteam. Nicht aus Kostengründen, weil man sich sonst keine neuen Flugzeuge leisten könnte – nein – die Piloten braucht er dringend als Fluglehrer. Über 32 Kampfflugzeugstaffeln verfügt die Indische Luftwaffe, 42 sollten es sein. Was man braucht sind Flugzeuge und Piloten, Piloten, Piloten.... fast wähnt man sich im England des Jahres 1940. Flugzeuge so scheint es sind kein Problem, für Nachschub wird mehrspurig gesorgt.

Der alte Ost/West-Mix der Indischen Luftwaffe wird durch einen neuen Ost/West-Mix sowie Eigenentwicklungen ersetzt.

Bis in die 90er Jahre waren die Jagd- und Kampfflugzeug-Geschwader der Bharatiya Vayu Sena (Indischen Luftwaffe) gefüllt mit 15-20 Staffeln MiG-21, fünf Staffeln MiG-23, sieben Staffeln MiG-23, einer Staffel-MiG-25 und zwei Staffeln MiG-29 alle russisch/sowjetischer Herkunft. Ergänzt wurde dies durch fünf Staffeln Jaguar-Jagdbomber sowie zwei Staffeln Mirage-2000. In Summe etwa 1000 Jets.

Mitte der 90er wurden Schritte eingeleitet, um diese Struktur grundlegend zu modernisieren. Da war zum einen nicht nur die strategische Lage mit den 'nicht befreundeten' Nachbarn China und Pakistan als auch der technologische Fortschritt im Kampfflugzeugbau hin zum Mehrzweckkampfflugzeug. Das zunehmende Alter des vorhandenen Maschinen und auch die hohen Unfallzahlen in den MiG-Staffeln standen einer Runderneuerung Typenmixes nicht im Weg. Zwischen 1993 und 2002 verlor die indische Luftwaffe bei Unfällen 283 Maschinen und über 100 Piloten, von 2008 bis 2010 noch immer 16. Ab Anfang der 90er begann Indien jedoch einzukaufen.

Um nicht nur die eigene Luftwaffe zu modernisieren sondern auch die lokale Aeronautik-Industrie in die Neuzeit zu überführen wurden mit dem russischen Kampfflugzeughersteller Sukhoi ab 1992 mehrere Geschäfte abgeschlossen. 1996 bestellte Indien 50 Maschinen des großen Mehrzweckkampfflugzeuges Su-30K und Su-30MKI und bekam die ersten acht schon 1997 geliefert. Nahtlos daran anschließend war bereits 2002 ein Vertrag unterzeichnet worden mit dem Hindustan Aeronautics Limited (HAL) in die Lage versetzt wurde ab 2004 insgesamt 140 Sukhoi-30MKI in Lizenz fertigen. Nach zwei Nachbestellungen ist inzwischen klar, dass die Produktion nicht bei Nr.140 enden wird sondern bis 270 Stück verlängert wird.

Damit nicht genug. Indien tritt seit Dezember 2010 gemeinsam mit Russland als Entwicklungs- und Fertigungspartner des Sukhoi PAK-FA (T-50) auf. Indien plant die Beschaffung von bis zu 200 Stück einer Variante des russischen Stealth-Flugzeuges, das meiste davon übrigens Zweisitzer.

Grund dafür ist auch, dass die Anzahl der aktiven Staffeln sich durch die Unfälle von ursprünglich 45 auf 39 im Jahr 2001 und mittlerweile sogar auf 32 reduziert hat. Den Verlust an Quantität möchte man ganz offensichtlich auch mit Qualität kompensieren.

Im unteren Segment des Leistungsspektrums sollten hunderte MiG-21 durch die Eigenentwicklung HAL Tejas ersetzt werden. Dessen Entwicklung lässt sich aber bis in die 70er Jahre zurück verfolgen. Inzwischen läuft die Vorserienproduktion des mit einem GE-404 Triebwerks ausgestatteten leichten Kampfflugzeuges LCA, seine Version Mk.2 soll ab 2014 mit dem GE414 fliegen.

In der Mitte des Spektrums tobt die Schlacht um die weltweit finanziell attraktivste Ausschreibung am Kampfflugzeugmarkt für mind. ein Jahrzehnt, die Medium Multi-Role Combat Aircraft Competition (MRCA). Unter diesem Titel projektierte die Luftwaffe 2001 den Ankauf von 126 modernen Mehrzweckkampfflugzeugen. Gesprochen wurde inzwischen auch von einer zusätzlichen Option von 64-74 Maschinen.

Von diesen Maschinen sollen die ersten 18 direkt vom Hersteller geliefert werden. Ab dann will man via Technologietransfer in der Lage sein die restlichen Maschinen unter Lizenz selbst zu produzieren. Das Volumen des Auftrages wurde mit rund USD 10 Mrd. veranschlagt – der größte Rüstungsdeal der indischen Geschichte. Gefordert wird eine 50% Kompensation welche ausschließlich mit der Indischen Rüstungsindustrie abgewickelt werden soll.

Sämtliche namhaften Hersteller - mit Ausnahme Sukhois - rittern seither um das Geschäft. Aus den USA bewarben sich Boeing mit der F/A-18IN (basierend auf E/F) sowie Lockheed Martin mit der F-16IN „Super Viper“ (basierend auf dem Block 60 der UAEAF). Aus Europa stellte sich das viernationale Eurofighter-Konsortium ein, Schweden mit dem Saab 'Super Gripen IN' (auf Basis der 'fetteren' Version NG) sowie Frankreich mit der Dassault Rafale. Russland schickte mit der MiG-35 eine nochmals modernisierte Variante der MiG-29M2 ins Rennen. Indien verlangte von den Teilnehmern nicht nur exakte Daten zu 643 Parametern der Flugzeuge sondern unterzog sie auch einem Testflugprogramm an drei völlig unterschiedlichen Standorten, welches zwischen August 2009 bis März 2010 in Indien mit allen Konkurrenten durchgeführt wurde.

Bevor die eingereichten Gebote am 30. April 2011 ausgelaufen wären, wurde am 27. April nun bekannt, dass Indien die Liste bis auf zwei Kandidaten zusammengestrichen hat. Beide US-Teilnehmer, die russische MiG-35 und der schwedische Saab Gripen NG sind ausgeschieden. Das Rennen um den derzeit größten Kampfflugzeugauftrag der Welt wird im Finale also zwischen dem Eurofighter und der Dassault Rafale ausgetragen.

Über die Gründe des Ausscheidens der übrigen Bewerber hält sich Indien bislang bedeckt. Einige Dinge waren aber schon davor offensichtlich.

Die MiG-35 wäre aus Sicht des Technologietransfers kein Gewinn gewesen. Indien hat diesbezüglich bereits hervorragende Kontakte nach Russland mit einer laufenden Produktion eines zeitgemäßen Jets und einer Entwicklungsbeteiligung an einem großen Zukunftsprojekt. Zudem würde man sich zu sehr an einen einzigen Partner binden. Dass die Russen das Triebwerk der MiG-29 an Pakistan verkauft haben um deren chinesische Chengdu FC-1 anzutreiben war auch ein kleiner Dorn im Auge.

Ähnlich erging es Lockheed Martin. Jahrelang waren die pakistanischen F-16 unter Embargo. Als „Partner im Kampf gegen den Terror“ wurde dieses Embargo 2005 gestrichen. Pakistan erhielt in Folge nicht nur nagelneue F-16 Block52, sondern auch Maschinen nachgeliefert welche aufgrund jenes Embargo jahrelang nicht ausgeliefert worden waren sowie ein Upgrade-Programm für seine älteren F-16. Und das war aber kein kleiner Dorn mehr im Auge sondern schon ein 100er Nagel.

Ebenso ausgeschieden ist das Boeing Offert für die Super Hornet trotz 'Roadmap' mit neuem Radar, neuen rumpfkonformen Treibstofftanks, Stealth-Pods für die externe Bewaffnung, verstärkten Triebwerken sowie einigen Elektronik-Updates hin zur F/A-18IN. Letztlich dürften die Indischen Anforderungen betreffend vollem Technologietransfer für die USA und deren Bestimmungen zur Kontrolle vor Ort kaum erfüllbar gewesen sein. Da half es auch nichts, dass man im Zug der Aero- India im Februar mit Ratan Tata einen der bekanntesten und einflussreichsten indischen Großindustriellen am Rücksitz der Super Hornet mitfliegen lies. Auch nicht Bollywood-Star Khapoor in der F-16IN, ausgeliehen von den UAE.

Mit dem schwedischen Saab Super Gripen IN ist auch der kleinste Mitbewerber auf der Strecke geblieben. Auf Basis des Gripen NG Entwurfes sollte die Maschine den indischen Bedürfnissen angepasst und entsprechend leistungsgesteigert werden. Letztendlich dürfte der kleine Schwede seiner größten Achillesferse zum Opfer gefallen sein – von allen angebotenen Projekten gibt es hier das meiste nur auf Papier, z.B. das geforderte AESA-Radar. Und da ist es dann auch wenig hilfreich, dass der politisch-industrielle Background der schwedischen Investor AB (aka Wallenberg-Gruppe) global gemessen doch begrenzt ist.

Im Rennen bleiben mit der Dassault Rafale und dem Eurofighter - technologisch betrachtet - die beiden jüngsten Entwürfe und auch jene beiden Maschinen welche die geringsten Anpassungen gegenüber der laufenden Serienproduktion bedürfen.

Zwar wurde auch im Zuge des Eurofighter-Offerts mit der Integration des neuen Radars (CAPTOR-E), die Möglichkeit von Schubvektorsteuerung und sogar Konzepte bis hin zum Umbau zur Trägertauglichkeit des Eurofighter geworben. Letztlich haben aber die durchgeführten Flugtests mit den real verfügbaren Kapazitäten – der EF soll als Einziger mit voller Zuladung inkl. Voller Luft/Luft-Bewaffnung ohne Nachbrenner von einer Basis in über 2.000m Seehöhe gestartet sein - für die Inder offenbar deutlich mehr Bedeutung gehabt als durchaus gelungene Grafiken in bunten Prospekten.

Indien hat ganz bewusst die beiden teuersten Angebote in die Endauswahl genommen und damit in diesem größten Rüstungsgeschäft nicht – wie von den durchaus erstaunten USA vermutet - der Geopolitik sondern den technisch-industiell besseren Angeboten den Vorzug gegeben.

Indien hat die beiden verbliebenen Bewerber gebeten, ihre schriftlichen Angebote, um 12 Monat zu verlängern. Erwartet wird, dass die finalen Verhandlungen in einigen Wochen beginnen. Der Gesamtumfang könnte im Zuge der Verhandlungen auf bis zu 200 Maschinen für ca. USD 15-16Mrd. steigen....


Sitzen mit den Indern bereits im selben (Sukhoi-)Boot. Da tut das Ausscheiden nicht so weh.
Foto: Georg Mader

Sitzen mit den Pakistanis im Boot.
Foto: Georg Mader

Sitzen mit der Geheimhaltung im Boot.
Foto: Martin Rosenkranz

Sitzen in einem zu kleinen Boot.
Foto: Georg Mader

Macht Eurofighter nicht alles falsch, dann haben sie den Auftrag in der Tasche.
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Ein Franzose darf den Preisdrücker spielen.
Foto: Georg Mader

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