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Das iranische Nuklearprogramm

Die ersten Bestrebungen im Iran ein eigenes Nuklearprogramm zu starten, gab es bereits in unter Schah Reza Pahlavi. Die Iranische Revolution von 1979 stoppte zunächst dieses Programm, erst ein Jahrzehnt später folgte die Wiederaufnahme. Nach neuesten Erkenntnissen lieferte China 1991 eine Tonne Uranhexafluorid, 400 Kilogramm Urantetrafluorid und 400 Kilogramm Uranoxyd. Hiermit und mit den vom pakistanischen 'Atompapst' A. Q. Khan ('Vater der islamischen Bombe') gelieferten Blaupausen und Materialien zum Bau von Zentrifugen sollen die Iraner ihren Weg gestartet haben.

Seither heißt es jedoch auch in allen offiziellen iranischen Verlautbarungen, Erklärungen und Beteuerungen, dass die nuklearen Bestrebungen rein zivilen Zwecken dienen und die Energieversorgung des Landes durch Nutzung von Kernenergie ergänzen sollen. Aus der Sicht des Iran besteht das Recht, sich die Kenntnisse und Technik für den gesamten nuklearen zivilen Brennstoffzyklus anzueignen. Geprägt ist diese Mentalität durch die erlebten Jahrzehnte an diversen Embargos und auch durch die Erfahrungen mit der Geschichte des Kernkraftwerks Bushehr selbst.

Drei Jahrzehnte reicht die Geschichte dieses Kraftwerks zurück. Ursprünglich errichtet durch Kraftwerk-Union/Siemens-Deutschland stoppte die Revolution und der Krieg gegen den Irak das Projekt bei einem Baustand von 85% bei Reaktor 1 sowie 50% bei Reaktor 2 - nachdem an die 2,5Mrd. US$ nach Deutschland geflossen waren.
1995 beauftragte der Iran Russland mit der Fertigstellung der Anlage als Leichtwasserreaktor mit vier Blöcken bis 2006. Verzögerungen im Baufortschritt führten dazu, dass jetzt erst ein Reaktor faktisch fertig gestellt ist. Der ROSATOM-Chef Sergej Kirijenko hat am 22. Juli - wieder mal - für "höchstens Ende 2009" das Hochfahren angekündigt. Die Kosten sind jedenfalls weit höher als ursprünglich geplant und die Iraner somit sowohl was den Westen als auch was Russland betrifft 'gebrannte Kinder' - auch einer der Gründe weshalb man Selbstversorger sein möchte.

In den 90er Jahren begannen die USA und - vor allem - Israel die Behauptung des Iran die Atomtechnologie rein friedlich zu nutzen, öffentlich anzuzweifeln. Inspektionen der Wiener IAEA (Internationale Atomenergie-Organisation) konnten jedoch keine eindeutigen oder klassischen Anzeichen für ein militärisches Programm entdecken. Und - das ist wichtig festzuhalten - es gibt bis dato keinen absoluten Beweis, dass der Iran tatsächlich ein militärisches Nuklearprogramm betreibt bzw. anstrebt. Der Iran bleibt aber gleichzeitig auch glaubwürdige Belege schuldig, dass dem nicht so ist - wie der scheidende IAEA-Chef Mohammed el-Baradei wiederholt feststellte. Seine Auseinandersetzungen mit Teheran sind legendär und zählen tausende Seiten an Berichten.

Die wichtigsten Anlagen:

Kernkraftwerk Bushehr
17 km südlich Bushehr am persischen Golf.
4 Blöcke mit Druckwasserreaktoren russischer Bauart. Es wird befürchtet, dass der Iran verbrauchte Brennstäbe aus diesem Kraftwerkstyp zu Plutoniumgewinnung verwenden könnte.

Urananreicherung Natanz
225km südsüdöstlich Teheran
Unterirdische Anlage zur Urananreicherung mit Platz für bis zu 50.000 Uranhexafluoridgas-Zentrifugen.

Isfahan
Zentrum der iranischen Kernforschung, Anlage zur Produktion von Kernbrennstäben, Anlage zur Umwandlung von Uran in Uranhexafluorid, Anlage zum Bau von Gaszentrifugen.

Arak
Anlage zur Produktion von schwerem Wasser (dient der Moderation in entsprechenden Reaktortypen). In Schwerwasserreaktoren fällt Plutonium an, das als Material für Kernwaffen dienen kann.
In Arak ist ein 40MW Schwerwasserreaktor in Bau welcher im Betrieb etwa 9kg Plutonium pro Jahr erzeugen wird.

Karadsch
Nuklearforschungszentrum für Landwirtschaft und Medizin. In zwei nahegelegenen Orten sollen Urananreicherungsanlagen versteckt sein.

Uranerzgewinnung und Verarbeitung
Uranerzminen in Saghand, Jasd, Anarak und Gchine,
Uranerzmühle in Gchine,
Versuchsanlage zur Produktion von Uranoxid in Ardekan.

Forschungsreaktoren Teheran, Ramsar und Bonab. Eine weitere Anlage in Lavisan wurde abgerissen bevor sie durch die IAEO kontrolliert werden konnte - die Entnahme von Bodenproben vor Ort wurde der IAEO verweigert.

In der Zwischenzeit setzte sich in der Nuklearwissenschaft die Erkenntnis durch, dass sich die friedliche Nutzung der Atomenergie nicht völlig von einer militärischen trennen lässt. Jahrzehntelang bestritt man die Tatsache, dass ‚ziviles' Plutonium direkt zur Herstellung von Atomwaffen verwendet werden kann. In kommerziellen Wiederaufbereitungsanlagen kann aber Plutonium-Mischoxid (Mox) erzeugt werden, jenes kann innerhalb weniger Wochen in waffentaugliches Plutonium umgewandelt werden. Bei entsprechendem Reinheitsgrad reichen von diesem Plutonium bereits fünf Kilogramm für den Bau eines Nuklearsprengsatzes, deutlich weniger als von hochangereichertem Uran nötig ist.

2002 wurde aber - durch iranische Oppositionelle im Ausland - (zuerst) den USA bekannt, dass der Iran die Existenz diverser Atomanlagen vor der IAEA verheimlicht hatte, darunter die großen teils verbunkerten Anlagen in Natanz und Arak. Darüber hinaus verabsäumt es der Iran seit 2003, ein Zusatzprotokoll zum Nichtverbreitungsvertrag zu ratifizieren welches unangemeldete IAEA Kontrollen gestattet. Der Forderung der IAEA, sämtliche Pläne und Informationen zum Atomprogramm endlich offen zu legen, kommt der Iran nicht im geforderten Umfang nach. 2006 nahm der Iran schließlich sogar unerlaubt Anlagen zur Urananreicherung wieder in Betrieb, welche durch die IAEA versiegelt worden waren.

Darüber hinaus bleibt der Iran die Umsetzung der völkerrechtlich verbindlichen UN-Resolution 1696 bislang schuldig (wichtigster Punkt: Einstellung der Urananreicherung), was zu einem Embargo für Güter für das iranische Atomprogramm führte (Resolution 1737). Auch 1737 setzt der Iran nicht um. Es folgten die Resolutionen 1747 (2007) und 1803 (2008) mit Sanktionen, welche allerdings eine militärische Option zur Erfüllung der Resolutionen ausschließen. Iranische Delegierte versicherten den Autoren aber, dass alle Maßnahmen erst 2011 zu einem von der IAEA beurteilbaren Level gelangen würden, zuvor würde verfrüht bzw. ungerecht geurteilt.


Die Bilder auf Google Earth der Anreicherungsanlage Natanz stammen aus dem Sept. 2006 und zeigen etwa 40 Flugabwehrstellungen in der unmittelbaren Umgebung der Anlage. Damit war Natanz zu diesem Zeitpunkt wohl eines der am stärksten gegen Luftangriffe gesicherte Objekt der Welt - und man kann als Zivilist nur Vermuten was sich seither getan hat. Das Militär ist diesbezüglich nicht auf Spekulation angewiesen und verfügt über aktuelle und sehr viel höher auflösende Aufnahmen.

Eine Uranhexafluoridgas-Zentrifuge in Natanz. Die Anreicherung des Anteils an dem für die Kernspaltung benötigten U235-Isotops wird durch eine Serienschaltung aus mehreren hundert dieser, sich mit einigen 100m/s drehenden Zylindern erreicht. Um für zivile Zwecke nutzbar zu werden muss der U235 Anteil von 0,7% auf 5% gesteigert werden - eine militärische Verwendung erfordert eine U235-Anreicherung auf über 85%.

Es wird fleissig mitgezählt wie viele Fahrzeuge Natanz ansteuern....

Jüngst - und besonders seit dem Antritt Präsident Obama's - läuft die Diskussion bereichert um die Ebene, inwieweit eine militärische 'Lösung' ein-, oder ausgeschlossen werden solle. Für Viele in Israel entwickelt sich diese allerdings grundfalsch. So scheinen die USA sich im Hintergrund mit einem nuklearen Iran 'abzufinden', anstatt die Staatengemeinschaft (auch China und Russland haben bislang die UN-Maßnahmen weitgehend mitgetragen) darin anzuführen dass dieser Zustand gar nicht erst eintritt. Die Berichte der UN-Atomenergiekommission werden unterdes immer besorgter. Der letzte IAEA-Report (über den Zeitraum 11. März bis 15. Juni 2009) zeigt gewissen Grad der Alarmierung:
http://www.iranwatch.org/international/IAEA/iaea-iranreport-021909.pdf
Ganz kurz sein wichtigste Aussage: "In klarer Missachtung einiger Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, kooperiert der Iran weiterhin nicht mit der Agentur. Der Iran hat mittlerweile den Zyklus der kompletten Anreicherungstechnologie zur Verfügung. 7.000 Zentrifugen sind in Betrieb, wovon in 5.000 die Anreicherung von UF6 läuft. Der Iran besitzt heute 1.339kg niedrig angereichertes Uran. Er verwehrt der IAEA fortgesetzt Zutritt zu seinem Schwerwasser-Reaktor (Arak), welcher vom Design her fähig wäre waffenfähiges Material herzustellen. Daher kann die Agentur auch nicht über dessen Baufortschritt berichten, wie der Sicherheitsrat es gefordert hat."

Wie ernst ist der ‚Fortschritt'?

Oder, warum sind all diese Daten wichtig? Für einen nuklearen Gefechtskopf braucht man ca. 15 - 20kg hochangereichertes Material. Dessen Anreicherung braucht maximal 12 Monate. Die IAEA schätzt bzw. errechnet, dass wenn der Iran mit Juli 2009 nochmals 2.130 Zentrifugen unter Vakuum in Betrieb nimmt, er die monatliche Produktion von U-235 um 43% auf 2,86kg pro Monat steigern kann. Dazu kommt, dass Vizepräsident Parviz Davoudi am 12. Juli gar mit 12.000 Zentrifugen in Betrieb geprahlt hatte. Als Summe all dessen könnte der Iran nach Meinung der IAEA - aber jüngst auch von im SPIEGEL zitierten einzelnen Mitarbeitern des deutschen BND - noch heuer die Menge für einen Gefechtskopf bzw. für einen Atomtest beisammen haben.

Mehr zu einer Zeitleiste unter: http://www.iranwatch.org/ourpubs/articles/iranucleartimetable.html#n

Über Fortschritt anderer Art berichtete erst am 21. Mai der Distrikt-Staatsanwalt von Manhattan, Robert Morgenthau. Und zwar in einer - weitgehend von den Medien ignorierten - Aussage vor dem außenpolitischen Ausschuss des US-Senats unter John Kerry (D), über die Bemühungen und 'Einkaufslisten' iranischer Geschäftsleute und Strohmänner. Er berichtete über einige seiner 'Sanction-Buster'-Fälle mit tausenden von Dokumenten. Z.B. gegen den Chinesen Li Fang Wei und seine Fa. 'LIMMT'. "Er und ein Dutzend andere Kerle" hätten z.B. seit 2001 folgende Rohmaterialien und Instrumente international eingekauft und - großteils - in den Iran verschifft: 15 Tonnen Aluminiumlegierungen wie sie nur im Flugzeug- und Raketenbau verwendet werden, 1.700 Kilo Graphitzylinder, 30 Tonnen Wolfram-Kupferplatten, 200 Stk. hohle Wolfram-Kupferzylinder, 19 Tonnen Wolframpuder, 24 Tonnen martensit-gehärtete Stahlbänder oder 400 Gyroskope sowie 600 Beschleunigungsmesser. In Summe ca. 300 Mill. US$ schwer, so Morgenthau - welcher Expertise vom MIT zuzog. "Das sind keine normalen Deals, die Zeit läuft uns davon...", bemerkte er.


Der erste Reaktor in Bushehr steht kurz vor Inbetriebnahme - einmal 'kontaminiert' würde eine Zerstörung der Anlage unvermeidbar eine ökologische Katastrophe in der Region nach sich ziehen.

Während die IAEA energisch Zutritt zur Anlage in Arak fordert steht der Iran auf dem Standpunkt, dass der Baufortschritt noch nicht jenen Stand erreicht hat der eine internationale Kontrolle erfordert.

Zudem stellen sich - z.B. in Unterhaltungen in Wien im Rahmen der OSZE - viele Experten die Frage, warum denn die relevanten Anlagen im Iran alle tief verbunkert und teils mit mehreren Ringen von Luftverteidigung aus Rohrwaffen und Lenkflugkörpern umgeben sind? (Die Anlage in Natanz ist mit einiger Wahrscheinlichkeit das heute am stärksten mit Luftverteidigungseinrichtungen abgesicherte Objekt der Welt) Weil sie ja in jedem Fall - also auch wenn sie ja nur zivilen Energiegewinnungszwecken dienen - von 'den Zionisten' oder dem 'Weltsatan' bombardiert würden...? Oder will der Iran sich einfach Milliarden-teure Anlagen nicht ungeschützt lassen...?

Der deutsche STERN berichtete jedenfalls jüngst - auch unter Berufung auf den BND - dass der Iran innerhalb der nächsten sechs Monate testtaugliche nukleare Waffenfähigkeit erlangen könnte, also keineswegs schon einen Sprengkopf. Es handelt sich um die bisher kurzfristigste Prognose, bislang ging man von mehreren Jahren aus. Andere Beobachter - ironischerweise auch vom BND - entgegneten hingegen im SPIEGEL, dass es noch mehrere Jahre dauern werde bis der Iran Nuklearwaffen mit Trägersystemen wie ballistischen Raketen operationell einsetzen kann. Die politische Wirkung der Erlangung nuklearer Fähigkeiten wird jedoch unabhängig davon unmittelbar nach einem ersten erfolgreichen Test eintreten.
Und selbst wenn ein nuklearer Gefechtskopf nicht das aktuelle Ziel des iranischen Atomprogramms ist. Der Iran könnte bald zu jenen Nuklearwaffen-Schwellenländern zählen welche aufgrund ihrer wissenschaftlichen und technischen Kapazitäten in einem Crashprogramm sehr rasch einsatzfähige Nuklearwaffen herstellen könnten. Länder wie Deutschland, Japan und Südkorea zählt man heute zu jener Gruppe welche in einem solchen Kraftakt 'die Bombe' in kürzester Zeit entwickeln könnten.

...bzw. der Weg zum Gefechtskopf?

Generell gilt dass der Zeitraum um eine funktionierende Atombombe zu bauen, heute wesentlich kürzer ist als in den 40er oder 50er Jahren. Zwar braucht es dann noch Raketen - auf die der Iran offenbar setzt - um eine funktionierenden Gefechtskopf ins Ziel zu bringen. Die Miniaturisierung der Bombe ist aber keine Magie mehr. Die Technologie ist weltweit im Umlauf und es ist nach jüngsten Enthüllungen von US-Erkenntnissen in der Schweiz (wo die Eidgenossen alle Dokumente gleich erschrocken vernichten wollten) sehr wahrscheinlich, dass der Iran aus dem nordkoreanisch/pakistanischen Netzwerk des 'Atompapsts' Khan auch Baupläne für Gefechtsköpfe hat. Hierbei lohnt auch ein Blick auf diverse andere Atommächte, IAEA und UN hin oder her. Weder Israel noch Pakistan oder Indien brauchten sonderlich lange, ihre ersten Waffen mit Laborcharakter auf Raketen zu setzen. Die iranischen Raketenbauer forschen offenbar auch in diese Richtung. Die Gefechstköpfe von 'Shahab'-3B und 'Sejil'-2 sind in ihrer gekröpften Ausführung durchaus 'modern'.

Aber wenn einmal vorhanden, ist die Verbringung eines 'Nuke' auch mit (Handels)Schiff oder Transportflugzeug denkbar. Nukleare Fähigkeiten bzw. der 'Big Bang' eines Tests würden die nach den Wahlen zweifellos unter Druck geratene Führung zunächst innenpolitisch stärken. Sie könnte damit einen konkreten Erfolg vorweisen, der in den Augen mancher Iraner kontroverse politische Maßnahmen kompensieren oder rechtfertigen könnte.

In Summe könnte es gut durchaus so ausgehen, dass die amerikanische und die noch viel mehr von wirtschaftlichen und Energieversorgungsüberlegungen 'gehemmte' EUropäische Politik, an der Schere; Dialog gegenüber der Ausübung von Druck zu bevorzugen, scheitert. So riskierte unsere EU ja jüngst das Äußerste an stolzer Machtpolitik: Nur die schwedische EU-Präsidentschaft nahm an der Angelobung von Präsident Ahmadinejad teil. Man unterließ (wie etwa auch Österreich) das in solchen Fällen übliche Gratulationsschreiben an den wiederbestellten Staatspräsidenten. Über eine Krisensitzung der iranischen Führung wegen der machtvollen Demonstration westlichen Widerstandes ist nichts bekannt... Es bleibt zu konstatieren - Teheran nimmt uns nicht ernst.

Treffen die pessimistischen Prognosen der Dienste zu, muss die iranische Führung also nur noch etwas Zeit gewinnen. Danach würde sie zu wesentlich besseren Bedingungen verhandeln können und zu Verhandlungen mit immer weiter reichenden eigenen Konzessionen gäbe es dann für westliche Akteure kaum noch eine realistische Alternative.