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'Dr. Seltsam' am Persischen Golf?
David lernt es wohl nicht, die (iranische) Bombe zu lieben...
Von Martin Rosenkranz und Georg Mader

Israelische F-16A mit Osirak-Badge
Foto: Martin Rosenkranz Einer der Autoren Die Osirak-Anlage nach dem Angriff
Foto: UN, web
Die seit Jahrzehnten bestehenden Spannungen zwischen der Führung der islamischen Republik Iran und dem jüdischen Staat Israel, hatten bislang etliche Bausteine des kalten Krieges. Es gab den Einsatz von Stellvertretern, Drohungen gegenseitigen Vernichtens, geheime Waffen- und Raketenprogramme, ja einen ‚Hauch von Kuba-Krise.' Doch bis zu einem iranischen Atomtest gibt es kein Gleichgewicht des Schreckens - und es scheint dass Israel jenen nicht abwarten will. Ein Hauch von Kuba-Krise weht durch den nahen Osten....

Gleich vorweg: Israel ist - ohne Signatar einschlägiger Verträge zu sein - bislang die einzige Nuklearmacht der Region. Der Iran hat zwar ein weitreichendes Atomprogramm, viele in Israel, den USA und Westeuropa glauben aber nicht an dessen rein zivile Widmung. Während völlig klar und auch weitgehend unbestritten ist das der aufstrebende Iran mit seiner sehr jungen Bevölkerung Atomenergie braucht, gibt es viele Anzeichen und Schritte seiner Führung - wiewohl aus deren Sicht auch für zivil zwingend notwendig scheinend - welche ein Streben nach Nuklearwaffen andeuten. Die israelische Führung (von Begin bis Netanyahu) hat immer angekündigt, man werde das nicht abwarten. Mag das nun nackter Selbsterhaltungstrieb oder das Aufrechterhalten hegemonialer Dominanz sein - die Uhr im nahen und mittleren Osten tickt. Viele Experten meinen, das Ticken hört noch heuer auf…

Erinnern wir uns: Am späten Sonntagnachmittag des 7. Juni 1981 zerstörten acht F-16 der israelischen Luftwaffe den irakischen Kernreaktor 'Osirak'.
Da eine Zerstörung des Reaktors unbedingt vor der Befüllung mit Uran geschehen musste um einen Fallout zu vermeiden, stand die Regierung von Menachem Begin unter Zeitdruck. 'Osirak' (eine Kombination des französischen 40MW-Designs 'Osiris' und 'Irak') war vom Layout her eine Art Material-Evaluierungsreaktor, lt. IAEO sollte dass Uran später wieder an Frankreich zurückgegeben werden. Israel wartete nicht.

Die 'Operation Opera' war sowohl für den Irak - als auch für den Rest der Welt - eine große Überraschung. Immerhin musste die Angriffsformation von der Etzion Luftwaffenbasis (heute Taba Airport) aus ab 15:55 Uhr faktisch den gesamten Weg bis zum Ziel im Tiefflug über feindliches Gebiet (Jordanien, Saudi Arabien und Irak) zurücklegen - über 1.000km in eine Richtung, bis Al Tuwaitha, 18km im Süden Bagdads. Dies ohne Unterstützung durch AWACS oder Tanker und - es war der weltweit erste Kampfeinsatz der F-16 'Fighting Falcon'. Maschinen die so neu waren, dass faktisch überall noch darauf ausgebildet wurde und noch kein Betreiber damit Einsatzerfahrung hatte. Die einzige Unterstützung der acht F-16A - welche mit je zwei konventionellen ungelenkten 2.000lb Bomben bewaffnet waren - bestand aus acht F-15 'Eagle' welche für den Jagdschutz der Jagdbomber verantwortlich waren sowie als Kommunikationsrelais nach Israel verwendet wurden.

Gegen 17:30 Uhr wurde zuerst durch mehrere Volltreffer die Betonhülle des Reaktors zerstört und danach durch diese Bresche das Innere der Atomanlage in Schutt und Asche gelegt. Die Iranische Luftwaffe - der im Westen fast vergessene 1. Golfkrieg war noch kein Jahr im Gange - hatte dies eine Woche nach Kriegsausbruch versucht und war gescheitert. Der Angriff der Israelis hingegen war Perfektion in Reinkultur - so weit außerhalb der damaligen Norm, dass beliebige Experten dies vorher für faktisch undurchführbar erklärt hätten. Alle Maschinen kehrten zurück.

Die Stellungnahme der israelischen Regierung zum Angriff auf Osirak war unzweideutig und zeitlich unbefristet formuliert: "Unter keinen Umständen werden wir einem Feind erlauben, Massenvernichtungswaffen gegen unser Volk zu entwickeln."

Ähnliche Vorzeichen - ganz andere Ausgangslage

Ähnlich ultimativ formulierte es erst letztes Jahr der frühere israelische Ministerpräsident Ehud Olmert: "Alles, was den Iran als Atommacht verhindern kann, gehört zum legitimen Kontext der Auseinandersetzung mit dem Problem". Es besteht kein Zweifel daran, dass auch der heutige Ministerpräsident Benjamin Netanyahu diese Sicht der Dinge teilt und - trotz des Versuches eines Zugehens Barack Obamas auf den Iran - inzwischen auch schon in Washington auf offene Ohren gestoßen ist. Jedenfalls hat er Bewegung in die Obama-Administration gebracht. So erklärte US-Vizepräsident Joe Biden am 5. Juli, dass sich die USA einem israelischen Militärschlag gegen das iranische Atomprogramm nicht widersetzen würden: "Israel könne für sich selbst entscheiden, was in seinem Interesse sei. Ob wir zustimmen oder nicht, sie sind berechtigt, das zu tun. Die USA könnten einem souveränen Land nicht vorschreiben, was es zu tun habe."

Bald wurde das Statement zwar von Präsident Obama als "allgemeine Aussage des Vizepräsidenten und eben kein grünes Licht..." relativiert - um schon wenige Tage später aus dem Mund von US-Außenministerin Hillary Clinton anders wiederzukehren. Sie warnte den Iran vor einer Aufrüstung der US-Verbündeten in der Region. "Die Tür für Gespräche ist noch offen, aber die nukleare Uhr tickt", sagte Clinton am 22. Juli dem thailändischen Fernsehen.

Die harschere Gangart einer bislang als ‚schwach' empfundenen US-Führung produzierte aus Teheran zumindest eine tiefer gehende, nicht von plumpen Populismus triefende Antwort. Im Zuge fortdauernder innenpolitischer Machtproben bis hin zur erzwungenen Ablöse von Ahmadinejads Stellvertreter Mashai - alles Folgen der bis heute turbulenten Auswirkungen der Präsidentschaftswahlen - gibt es einen neuen Chef des iranischen Atomprogramms. Ali Akbar Salehi sagte zwar dass es Zeit sei "das Atomdossier zu den Akten zu legen. Die rechtlichen und technischen Diskussionen über Irans Atomprogramm sind beendet", meldete sich aber auch mit einer Art Aufforderung an den Westen, die (auch) Israel betrifft: "Die Zeit ist gekommen, 6 Jahre der Animositäten mit dem Westen zu beenden, wir müssen Brücken des Vertrauens bauen - wenn eine erneuerte Paketlösung die 200 nuklearen Sprengköpfe der Zionisten einschließt…!"

Viele - im Iran sowieso aber auch Stimmen hier im Westen - denken wie Salehi und rechnen die seit Jahren nicht entschärfte (Kriegs)Gefahr den Jahren der Bush-Administration, deren These und Rhetorik der 'Achse des Bösen' sowie Israel und seiner "Geiselhaft der US-Außenpolitik" zu. Die Prognose des ehemaligen amerikanischen UN-Botschafters John Bolton, Israel werde den Iran noch vor der Amtseinführung des neu gewählten amerikanischen Präsidenten angreifen, hat sich zwar als falsch erwiesen, Bolton legte aber am 3. August wieder nach: "Was wir alles NICHT über den Iran wissen, dass macht mir am meisten Schmerzen. Sie haben alles an Wissenschaft, Forschung und Technologie zu beherrschen gelernt und sie sind ihrem Ziel sehr nahe. Der Druck auf Israel steigt, seine Entscheidung für oder gegen militärische Maßnahmen zu treffen. Gegenwärtig setzt der Iran auf Zeit, spielt mit Diplomatie. Ein israelischer Schlag - sagen wir gegen Natanz - kann dem Westen Zeit zurückbringen, ein iranischer Atomtest ändert aber unweigerlich alle Parameter. Für die USA, für Europa und besonders für Israel. Für Israel zählen auch die Bilder..."

Eines dieser Bilder defilierte im Rahmen einer Ende September 2008 im Iran abgehaltenen Militärparade vor der Staatsführung, der Lastwagen trug ein großes Banner mit der in Farsi und Englisch gehaltenen Aufschrift: "Israel should be eliminated from the universe". Es gab - vornukleare - Zeiten da wäre dies als wohl ebenso als Kriegserklärung gewertet worden, wie diverse ähnlich lautende - angeblich schlampig übersetzte - Erklärungen Ahmadinejads zum Holocaust.

Am 12. Juli legte Parviz Davoudi, erster Stellvertreter des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad - im Sinne von Boltons These - nach und erklärte einer Regierungsagentur (in einem Satz) dass der Iran heute über 12.000 aktive Gaszentrifugen zur Anreicherung in Betrieb habe und dass "das zionistische Regime keine Antwort auf die neue iranische Rakete 'Sejil-2' besitzt." Zu jener etwas später.

Davoudi fügte - ausgestreckte Hand Obama's hin oder her - auch hinzu, dass "der Iran im Westen, in Amerika und in Lateinamerika präsent ist und jeder Versuch sein Regime zu schwächen, die Region und die ganze Welt in Brand setzen würde." Da war er wieder, der plumpe Populismus - 'HEUTE' auf persisch so zu sagen…

Andererseits sind die Iraner - sowohl der blumigen Sprache Farsi wegen als auch was die Jubelmeldungen über neue Waffentechnik betrifft - bekannte 'Angeber'. Auch ist es offenkundig dass die USA heute Gespräche führen, um Teheran in ihre AfPak-Strategie (Afghanistan-Pakistan) einzubinden. In diesem Aspekt ist der Iran in der bequemen Position, dass die USA (bzw. der Westen) ihn mehr brauchen als umgekehrt. Hillary Clinton hat daher in ihrem Statement - bei aller Verschärfung der Gangart gegenüber Teheran - die Brücken nicht abgebrochen. Optimisten trösten sich mit der These, dass nur ein Ahmadinejad ein Nachgeben im Atomstreit an die iranische extreme Rechte verkaufen könnte - was einem Präsidenten Mussavi nie gelänge. Andererseits schließt - wieder eine Folge der Wahlauseinandersetzungen - die innere Verengung des Regimes und der wachsende Verfolgungswahn eine baldige Öffnung nach außen zurzeit eher aus.

Das aber ist alles Diplomatie. Und die hilft Israel's Befürchtungen und Überlegungen nur bedingt. Selten hat sich aber die Ansicht, dass die Zeit für die Iran-Diplomatie ausläuft, an einer realeren Deadline festgemacht: Falls sich Israel zu einem Militärschlag entschließt, müsste er erfolgen bevor im Herbst oder gegen Jahresende das Kraftwerk Bushehr ans Netz geht. Das weiß man auch in Teheran.