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CAMCOPTER® S-100 auf allen Weltmeeren

Vier Jahre nachdem der Schiebel CAMCOPTER® S-100 präsentiert wurde, entwickelt sich das Hubschrauber-Drohnensystem (VTOL UAV) nach und nach zum "Must Have" der Seeüberwachung. Aber auch in ganz anderen Bereichen beweist die kleine Drohne ihre Vielseitigkeit.
Martin Rosenkranz hat für www.airpower.at das Schiebel-Werk bei Wr.Neustadt besucht.
Ein Container voller Computer auf noch grüner Wiese, daneben eine Datenlinkantenne - ein paar Kilometer außerhalb von Wiener Neustadt mitten in militärischem Sperrgebiet - das ist alles was vom Testfluggelände des Camcopter® S-100 zu sehen ist. Und doch - die noch am Container lehnende Schneeschaufel erinnert daran, dass hier permanent Betrieb herrscht. Hier wird erprobt, geschult und gelernt und auch Abnahmeflüge für Kunden wurden hier schon durchgeführt.

Praktisch, wenn man kaum fünf Autominuten vom Werk entfernt in aller Ruhe testen kann und dabei niemanden stört. Noch praktischer wenn Europas einziger UAV-Korridor das Werk mit dem Testfluggelände verbindet - was den Chef sichtbar erfreut.


"Klein-Edwards" mitten im Sperrgebiet Großmittel - hier lernt der CAMCOPTER® S-100 fliegen.
Foto: Martin Rosenkranz

Wöchentlich verlässt eine neue Drohne das Schiebel-Werk in Wr. Neustadt.
Foto: Schiebel

Überhaupt wirkt Hans Georg Schiebel für einen Firmenchef inmitten einer Weltwirtschaftskrise recht gelassen. Es läuft recht gut für die kleine Drohne. Der Großauftrag der Emirate, welcher das alles erst ins Rollen brachte - dort heißt das Programm "Al Sabr" - ist inzwischen Routine.
Derzeit liegt der Fokus sehr im maritimen Bereich. An die 200 Starts und Landungen auf Schiffen der Deutschen, Französischen, Indischen, Pakistanischen und Singhalesischen Marine sowie der Spanischen Küstenwache hat der CAMCOPTER® S-100 schon hinter sich.
Das Spektrum der Anwendungen, welche potentielle Kunden erproben, reicht von der klassischen Nachrichtengewinnung über Wirk- und Zielaufklärung bis hin zur Migrationskontrolle - und inzwischen auch schon Forschung. An Schiffstypen hat der CAMCOPTER® S-100 eine Palette beginnend von Fregatten und Korvetten bis zur derzeit kleinsten erprobten Plattform, einem nur 51m langen und 600t schweren umgebauten Fisch-Kutter, als Trägerplattform genutzt.

Bei der Deutschen Marine ist die Erprobung überhaupt so erfolgreich verlaufen, dass man dort die Horizonte gleich höher gesetzt hat. Schiebel selbst darf zwar kein Wort darüber verlieren - aber in einem Interview mit der Fachzeitschrift "Wehrtechnik" erklärte der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Wolfgang Nolting, dass man dort mit dem S-100 schon "in absehbarer Zeit eine Anfangsbefähigung auf dem Gebiet der 'Abbildenden Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes' zu erreichen" gedenkt und dies dezidiert auch in "bedrohungsintensiven Umfeld". Die Korvetten der Klasse 130 werden die ersten Träger dieses neuen Systems. Und dabei bleibt es nicht. Das Deutsche Heer - welchem von der Marine bereits große Expertise im Betrieb von Drohnen zugesprochen wird - bewertet die Möglichkeiten des CAMCOPTER® S-100 ähnlich positiv und wird gemeinsam mit der Marine die Einführung betreiben.


Kleine Drohne auf großer Fahrt
Foto: Schiebel

Nicht nur die deutsche Marine zeigte sich begeistert.
Foto: Schiebel

Dass das alles offenbar so reibungslos funktioniert ist kein Zufall. Spätestens jetzt rechnet sich der von Beginn an eingeschlagene Weg der Konstruktion mit "exotischen" High-Tech-Materialen wie Kohlefaser und Titan. Denn sowohl die Hitze und der Sand der Emirate als auch das Salzwasser und die hohe Luftfeuchtigkeit auf einem Fregattendeck können dem CAMCOPTER® S-100 nichts anhaben - alles inhärent korrosionsbeständig.

Hans Georg Schiebel ist ganz in seinem Element als er uns einige Konstruktionsdetails des selbsttragenden Kohlefaser-Monocoques erklärt und zeigt, wo und wie man gleich am Reißbrett einspart - an Leitungen, Kabeln, Gewicht und Wartungsaufwand.
Ergebnis ist, dass die Drohne auch auf kleinen Schiffen - einmal ausgestattet mit der notwendigen Ausrüstung, als da wären eine Trägheitsmesseinheit zur Berechnung der Schiffsbewegung, eine GPS-Referenzantenne sowie natürlich die Datenlinkantenne - die Herausforderung schwieriger Landungen meistert. Auf einem sich bei entsprechendem Seegang stark bewegenden Deck, bei böigem Wind von 40 Knoten sowie enormer Turbulenzen über dem Deck - und das auch bei vernünftiger Zuladung.
Das Rechnersystem der automatischen Flugsteuerung welches diese Leistung abwirft ist extrem schnell. Es erneuert alle dafür notwendigen Flugparameter 2.000mal pro Sekunde. Selbst für den besten menschlichen Piloten ist das weit außerhalb der Machbarkeit. Diese extreme Reaktionsschnelligkeit ist natürlich nicht nur bei Start und Landung von Nutzen sondern auf diese Art, bietet der Camcopter auch eine stabile Plattform für die Sensorlast welche auch bei extremen Windbedingungen die Positionen genau hält.

Sieht man sich die drei Meter lange Drohne an, so könnte dem Laien das Wort "Modellhubschrauber" rasch über die Zunge gleiten. Ein Blick in die Werkshalle sowie in den luftfahrtrechtlichen Bereich belehrt ihn schnell eines Besseren. Hier wird ein unbemanntes Luftfahrzeug gebaut, aber ein Luftfahrzeug mit allem Drum und Dran. Seine Piloten - selbst wenn sie nur die automatische Funktion der Drohne kontrollieren - benötigen einen gültigen Hubschrauber-Pilotenschein.
Nicht zuletzt muss auch die Technik der Drohnen den Bestimmungen entsprechen und ist dem gemäß zertifiziert. Und da wird's dann richtig teuer. Die Nachweise der Redundanzen für ein gerade laufendes weiteres Zertifizierungsverfahren, die technischen Meetings und der dazugehörige personelle, zeitliche und dokumentarische Aufwand sprengt ganz schnell jedwede Grenze die man für den Bereich "Modell" noch für angemessen (aus)hält. Wenn das angestrebte Papier dann mal da ist, wird es letztlich Millionen gekostet haben, aber auch mehr Spielraum beim Betrieb der Drohne - und somit neue Marktchancen - ermöglichen.


Operationsshelter-Transportfahrzeug für "Al Sabr" in den Emiraten.
Foto: Schiebel

Der "Al Sabr" Drohnentransporter mit einegebautem Kran.
Foto: Schiebel

Doch nicht nur am Fluggerät selbst wird permanent gearbeitet, auch die Erweiterung der Möglichkeiten im Nutzlastbereich steht ständig im Blickpunkt. Der CAMCOPTER® S-100 ist bereits mit einer ganzen Reihe an Sensoren erprobt. Die Gängigsten nachgefragten Typen sind die ca. 16kg schweren POP200 und 300 von IAI/Taman welche eine Thermalbild-Auflösung von 240X320 bzw. 640X480 sowie eine Farb-CCD-TV Kamera und optional auch Laser-Entfernungsmesser bzw. Laser-Markierer bieten, die ca. 20kg schweren Agile 2 von THALES mit vergleichbaren Auflösungen sowie das ca. 12kg schwere Microstar II von FLIR Systems.
Neben den IR-Bild darstellenden Systemen ist inzwischen auch schon mit dem ca. 10kg schweren PicoSAR von SELEX geflogen worden. Das kleine X-Band Synthetic Aperture Radar bietet bei Reichweiten von über 10km Auflösungen von unter einem Meter.
Etwas ausgefallener ist ein inzwischen ebenfalls geordertes "Public Address System" - ein Camcopter gestütztes Lautsprechersystem auf welches vom Operator-Shelter via "Voice over IP" die Tonsignale übertragen werden. Eben solche ‚Voice over IP'- Leitungen werden übrigens auch benutzt um die CAMCOPTER®-Piloten mit den ATC-Flugsicherern zu verbinden. Der CAMCOPTER® S-100 dient dabei als Schnittstelle zwischen dem digitalen ‚Voice over IP' Signal zwischen Drohne und Operator und dem analogen Radiosignal zwischen Drohne und ATC-Controller.

Damit das alles beim Kunden auch problemlos funktioniert wird jede fertiggestellte Drohne am hauseigenen Teststand auf Herz und Nieren geprüft. Derzeit verlässt eine Drohne pro Woche die Fertigungsstrasse und Aufträge für ein ganzes Jahr hat Schiebel im Backlog.

Üblicherweise liefert Schiebel nicht nur seine Drohne sondern gleich das komplette Paket inkl. Sensorlast und immer öfter auch inkl. Operation-Shelter bzw. Transportfahrzeug - schlüsselfertig getestet im Paket und nach Ankunft beim Kunden sofort operativ einsetzbar. Auch im Bereich Fahrzeuge und Shelter kommt dabei sehr oft österreichisches Know-how zum Einsatz. Wie auch beim Auftrag für die Emirate, fertigt der Tiroler Fahrzeugausrüster EMPL diese Komponenten.
Mit einem CAMCOPTER® S-100 welcher aktuell in Wr. Neustadt entsteht hat Hnas Georg Schiebel eine besondere Freude. Ganze vier Jahre hat es gedauert bis sich ein Kunde fand, der den CAMCOPTER® S-100 in der Lieblingsfarbe des Chefs orderte - glänzend Weiß. Und der Kunde ist kein Unbekannter. Die Europäische Weltraumbehörde ESA wird den Camcopter im Rahmen ihrer Entwicklungsbemühungen für automatische Punkladungen auf extraterrestrischen Himmelskörpern wie Mond, Merkur, Mars oder Asteroiden, in der nordafrikanischen Wüste als "Precision Landing Guidance, Navigation and Control Test Facility" verwenden. Der CAMCOPTER® S-100 wird dabei Abstiege aus Höhen von 4.000m und mehr in den für Sonden typischen Fallgeschwindigkeiten simulieren und als Träger für Sensoren und Rechner dienen welche optische Gefahren und Geländemerkmale erkennen und auswerten um automatisch auszuweichen, sowie präzise und sichere Landungen gewährleisten zu können.


Oben: Der Mastermind hinter dem Camcopter® S-100: Hans Georg Schiebel
Links Oben: Etwa ein halbes Dutzend Drohnen in verschiedenen Baustadien befinden sich permanent im Werk.
Links Unten: Fertige Drohne am Teststand - ohne Prüfung auf Herz und Nieren verlässt kein Camcopter® S-100 das Werk.

Da passt es auch gut dazu, dass der Camcopter® S-100 inzwischen auch schon Preise einheimst. Schiebel wurde für sein UAV erst kürzlich durch den Österreichischen Innovatoren-, Patentinhaber- und Erfinderverband (OPEV) - als solcher der zweitältesten Erfinderverband der Welt - mit der Kaplanmedaille ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung für Österreichs Erfinder.

Und doch - etwas Entscheidendes fehlt noch auf Schiebels Agenda. Dass das österreichische Bundesheer - trotz sehr erfolgreicher Tests - noch nicht zu den Camcopter® Kunden zählt, wirft einen merkbaren Schatten auf die rot-weiß-rote Seele.
Auf einmal befinden wir uns wieder mitten in einer Weltwirtschaftskrise - Hans Georg Schiebel nennt die darin liegenden Gründe, weshalb mehr Engagement der Republik in Richtung Camcopter® durchaus Sinn machen würde. Da wäre zum einen die hohe heimische Wertschöpfung, 90% der Fertigung ist "Made-in-Austria", beim Know-How sind es überhaupt 100%. Da fallen einem viele "Wirtschaftsförderungen" ein, welche bei weitem nicht diese rot-weiß-rote Treffsicherheit hätten.
Und das Bundesheer bekäme ein tolles Produkt auf hohem internationalem Niveau. Erst im Dezember hat das Bundesheer den CAMCOPTER® S-10 am TÜPL Allentsteig vier Tage lang in die Mangel genommen und war überaus zufrieden mit dem Gezeigten. Flüge rauf bis 5.500m, durch Eisnebel, Stops von 80 km/h auf Null in 5 Sek. bei stabilem FLIR-Bild, Hochgeschwindigkeitsflüge, etc.

Schiebel wird jedenfalls noch eine ganze Reihe CAMCOPTER® S-100 in alle Welt ausliefern bevor man sich im Bundesheer zu einer Drohnen-Beschaffung durchringt.
Und wer weiß was es beim CAMCOPTER® S-100 bis dahin wieder an Neuigkeiten gibt, denn Stillstand gibt es nicht bei Schiebel - dafür ist das Testfluggelände viel zu nahe.

Martin Rosenkranz