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Future Large Mistake
Die A400M Katastrophe

Das "Future Large Aircraft" - so die Projektbezeichnung Anfang der 90er Jahre - bzw. "Airbus A400M" - der Name des Produkts heute - stellt einen zentralen Bestandteil der künftigen europäischen Verteidigungsarchitektur dar. Das Flugzeug soll den europäischen Streitkräften jene Flügel geben, welche bis dato geborgt, gemietet oder geleast werden.
Beginnend 2009 sollten die C-130 Herkules und C-160 Transall durch das wesentlich leistungsfähigere und hochmoderne Transportflugzeug ergänzt bzw. ersetzt werden.
Wann oder ob das je so kommen wird ist aus heutiger Sicht seriös nicht zu sagen.
Das Flugzeug - welches als Prototyp eigentlich schon fliegen sollte - laboriert an fundamentalen Problemen deren Auswirkungen nicht nur sämtliche Liefertermine stark verzögern werden sondern eventuell auch in permanente Leistungsdefizite münden werden.
Von Martin Rosenkranz für www.airpower.at

Ein geschichtlicher Abriss

Anfang der 90er Jahre verständigten sich mehrere Europäische Staaten ein neues Transportflugzeug zu entwickeln welches angetrieben durch vier Turboprop-Triebwerke zum Kernelement zukünftiger Luftbeweglichkeit der schellen Eingreiftruppe (Rapid Reaction Force) werden sollte. Dem "Outline Staff Target" folgte die "European Future Large Aircraft Group" an welcher sich bis 1993 sieben Nationen beteiligten. Ab 1993 begann Airbus Industries im Programm zunehmend eine Rolle zu spielen und eine entsprechende Zusammenarbeit wurde 1995 formalisiert.

Die ersten Schwierigkeiten traten 1996 auf als es an der Finanzierung der vorbereitenden Entwicklung krankte. Frankreich stieg aus, England - bisher nur industriell vertreten - nicht ein.
Erst Mitte 1998 machte das Programm wieder Fortschritte. Eine hauptsächlich durch die Industrie finanzierte 12 monatiges Programm führte zur Ausarbeitung eines vollständigen Offerts der Industrie welches technische Spezifikationen, Leistungsgarantien, ein kommerzielles Angebot mit fixen Preisen, Vertragskonditionen sowie eine Detailplanung der "single-phase" Entwicklung enthielt und im Februar 1999 präsentiert wurde.
Das Programm ermöglichte der Industrie die von ihr gewünschte ununterbrochene Entwicklungsphase auf Basis fixer Zusagen der Kunden, während die Risken der Entwicklung hauptsächlich durch die Industrie zu tragen sind.

Termine

Vertraglich fixiert wurde ein Terminplan welcher 56 Monate vom Zeitpunkt der Unterzeichnung der Verträge bis zum Erstflug, sowie 77 Monate vom Zeitpunkt der Unterzeichnung der Verträge bis zur operationellen Einsatzfähigkeit in einer logistischen Basiskonfiguration. Erstflug Mitte 2008, Auslieferungen ab Oktober 2009, vorsah.
Produktionsrate: 3/2009, 17/2010, 27/2011, 26/2012 und je 28 in den Folgejahren.
Die ersten Maschinen sollen Frankreich und die Türkei erhalten, Deutschland und England folgen 2010, Spanien 2011, Luxemburg 2017, Belgien 2018. Komplette Auslieferung an die Erstkunden im Jahr 2021.

Bestellungen

Im März 2000 kündigten Belgien, Frankreich, Italien, Spanien und die Türkei Bestellungen für 131 Stk. an. Im Mai folgte England, Deutschland im Juni und auch Luxemburg sagte eine Maschine zu. Bis Juli war die Gesamtzahl auf 225 gestiegen. Portugal meldete 2001 einen Bedarf von vier Stück, reduzierte aber dann auf drei und stieg 2003 ganz aus. Und auch Italien zog sich 2001 zurück.
Die Launch-Customers setzen sich zusammen aus Belgien (7), Deutschland (60), Frankreich (50), Luxemburg (1), Spanien (27), Türkei (10) und Großbritannien (25).
Dazu kamen bisher zwei Folgeaufträge. 2005 orderte Südafrika acht Maschinen und Malaysia vier.

Entwicklung und Probleme

Schon ganz zu Beginn der Entwicklung kam der erste Rückschlag.
Im Jahr 2001 wurde die "Aero Propulsion Alliance" durch die Unternehmen FiatAvio (Italien), ITP (Spanien), MTU Aero Engines (Deutschland), Rolls-Royce (UK und Deutschland); Snecma Moteurs (Frankreich) und Techspace Aero (Belgien) gegründet.
Auf Basis des M88 Triebwerk der Rafale wurde das dreiwellige TP400-D1 Turboproptriebwerk mit einer Leistung von 10.000 bis 13.000WPS vorgeschlagen und ausgewählt.
Im Februar 2002 musste diese Entscheidung widerrufen werden. Das TP400-D1 war zu schwer und zu teuer und würde letztlich nur 9.000WPS leisten - zu wenig für den A400M.

Aus einer erneuten Ausschreibung für den 4 Mrd. Auftrag ging im Mai 2003 "Europrop International" (ITP, MTU, Rolls-Royce, Snecma Moteurs) mit dem TP400-D6 - diesmal eine völlige Neuentwicklung - als Sieger hervor. Das dreiwellige Triebwerk soll über 11.000 Wellen-PS und einen achtblättrigen Propeller mit 5,3 Metern Durchmesser auf 840 Umdrehungen pro Minute treiben.

Schon bei den ersten Testläufen mit Getriebe und Propeller kam es zu ernsthaften Problemen. "Kontaminiertes Öl" lautete die Diagnose am Bodeprüfstand, herrührend vom Getriebe welches den Kräften offenbar nicht so ganz gewachsen war. Anfänglich gab es Befürchtungen, dass offenbar eine komplette Getriebe-Neukonstruktion mit massiven Gewichtszuwachs nicht zu vermeiden wäre. Inzwischen scheint es aber möglich den ungewünschten Metallabrieb mit besserer Härtung der betroffenen Teile in den Griff zu bekommen.
Problem Nr.2 am Triebwerk ist die komplexe Steuerungselektronik der Triebwerke welche durch Synchronisation der Triebwerke bis hin zu den einzeln verstellbaren Blättern dafür sorgen soll, dass Belastungen durch Vibrationen und die Lärmentwicklung gesenkt werden. Da es der Software anscheinend noch an Wesentlichem mangelt, kam es bisher nur zu Bodenprüfläufen.

Wie viel Anteil an den Problemen die von Airbus gewählte Antriebskonfiguration trägt ist nicht ganz klar. Klar ersichtlich jedenfalls, dass man gänzlich neue Wege beschritt.
Anders als bei herkömmlichen Turboprop-Maschinen, bei welchen die Propeller an einem Flügel alle in eine Richtung drehen und auch anders als bei den großen Russischen Mustern, welche über ein Planetengetriebe mit einem Motor zwei gegenläufige Propeller treiben, drehen beim A400M die Mühlen anders.
"Down between engines" heißt das realisierte Konzept, was nichts anderes bedeutet als, dass die beiden Propeller an jedem Flügel so zueinander drehen, dass sie die Luft zwischen den Triebwerken unter dem Flügel durchschaufeln. Airbus lobt die Vorzüge dieser Konfiguration so sehr, dass man sich fragt wieso nicht schon immer so gebaut wurde. Der Effekt der Drehmomente auf den Flügel soll sich ebenso minimieren wie der üblicherweise auftretende asymmetrische Schub. Das Leitwerk der Maschine kann daher auch kleiner gebaut werden und benötigt 17% weniger vertikale und 8% weniger horizontale Fläche. Nicht zu vergessen wird dem ganzen auch noch ein 4%ige Steigerung des Auftriebs zugeschrieben.
Was alles schön und gut wäre....würde es denn funktionieren. Denn bisher treibt nichts auf.
Bei Marshall Aerospace in Cambridge stand seit September eine C-130 Herkules mit einem fertig montierten TP400-D6-Triebwerk.
Diverse Bodenprüfläufe wurden durchgeführt - bei denen angeblich alles wundervoll funktioniert hat. Fliegen durfte der Testvogel trotzdem nicht. Erst am 17. Dezember ist das Triebwerk auf der Marshall-Herc erstmals geflogen - viele Monate zu spät.
In ca. 50 Flugstunden müssen nun diverse Tests durchgeführt werden bevor sich endlich auch der A400M in die Luft erheben darf. Deren Erstflug - mit immerhin vier dieser Triebwerke - war eigentlich für Sommer 2008 vorgesehen.
Daran war nicht zu denken. Inzwischen muss die Produktion der Serienmaschinen gedrosselt werden, weil niemand seriös sagen kann wann der A400M zu seinem Erstflug abheben kann.

Schon seit längerer Zeit geht man in internen Kreisen von einer Verzögerung von rund einem Jahr aus. Seither sind die Probleme eher gewachsen denn gesunken. Die Prognose lautet derzeit "mindestens 18 Monate" und kostet Airbus über EUR 1,7Mrd welche als Rückstellungen für Mehrkosten und Strafzahlungen gebildet wurden. Schon jetzt steht für Airbus fest, dass man mit dem A400M Verlust schreiben wird, da diese Mehrkosten innerhalb der aktuellen Order nicht zu kompensieren sind.

Immerhin beträgt die Verzugsentschädigung 0,02% pro Tag (max. 6%) vom vereinbarten Festpreis EUR 78,21 Mio. und somit bis zu EUR 4,7 Mio. pro Maschine. Für Airbus ist der Transporter somit bereits vor dem Erstflug ein "hochgradig negatives Geschäft".
Airbus drängt deshalb seine Abnehmer dazu auf die vertraglich vereinbarten Pönalezahlungen zu verzichten. Frankreich hat hier schon entgegenkommen signalisiert, Deutschland denkt nicht daran "vertragliche Ansprüche aufzugeben". Trotzdem kann Airbus noch von Glück sprechen - noch ist kein Abnehmerstaat vom Vertrag zurückgetreten - was laut Vertrag bei einer Verzögerung von mehr als zehn Monaten möglich wäre.

Eine weiterer Problemkreis betrifft den Frachtraumboden. Dieser soll die an ihn gestellten Anforderungen offenbar nicht genügen.
Unter Berücksichtigung der Laderaumabmessungen soll der A400M in der Lage sein Lasten bis zu 32 t Nutzlast zu transportieren. Der neue deutsche Schützenpanzer PUMA macht davon gut Gebrauch und wird bereits in der Basisausführung (Schutzstufe A) 31,45t wiegen. Anscheinend doch zu viel, denn wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf, dann muss der Boden entweder verstärkt oder überhaupt neu konstruiert werden um den Brocken zu bewältigen.
Und in der "Schutzstufe C" des PUMA (41t) führt an einer Lastenteilung sowieso nichts vorbei. Der Lufttransport eines Zuges (4 Fahrzeuge) dieser Schützenpanzer wird sechs Flüge mit A400M in Anspruch nehmen.

Zu allem Überfluss kommt dazu noch ein Mehrgewichtsproblem, hervorgerufen durch den offenbar nachträglich geäußerten Wunsch nach "Härtung" im Crewbereich. Laut der Süddeutschen Zeitung kommen dazu noch Schwierigkeiten bei der Navigationsanlage, dem Flugmanagementsystem, dem Tiefflugsystem sowie mit der Ausrüstung zum Selbstschutz.

Keine Alternative

Wie schon zum Zeitpunkt der Entscheidung für das FLA bzw. A400M sind realistische Alternativen nicht verfügbar. Zwar wären die benötigten Kapazitäten sowohl mit dem US-Combo C-17 und C-130J als auch mit der ukrainischen An-70 abzudecken - in beiden Fällen wäre der Schaden für die europäische Industrie enorm. Und auch wenn es kurzfristig geheißen hat, dass Airbus sich aus dem Programm zurückzieht - dies wurde inzwischen auch offiziell in Abrede gestellt - bleiben sowohl der Hersteller als auch die Kunden im Boot.
Dies bedeutet auch, dass die bestehende Übergangslösung "SALIS" sehr wahrscheinlich über das bis 2012 geplante Ende hinaus Bestand haben wird. Denn ohne die Kapazitäten der angemieteten An-124 wäre Europa wohl kaum in der Lage größere Einsätze außerhalb der eigenen Grenzen zu unterhalten.

Wie lange dieser Zustand noch anhält ist kaum abzuschätzen.
Der Nachweis der vollen Fähigkeit des Basisflugzeugs wäre nach ursprünglicher Planung im April 2010 nachzuweisen - dies wurde bereits auf Oktober 2010 verschoben zuzüglich des Risikos einer weiteren sechsmonatigen Verzögerung. Dass es eher 2012 wird scheint inzwischen unvermeidbar, villeicht auch 2013 oder gar 2014.
Und auch die Luftwaffen werden nicht am Tag 1 nach Auslieferung mit dem operationellen Betrieb beginnen können, sondern werden ihre Zeit brauchen.
Kein Wunder also, dass man sich über die Bedeutung des Bezeichnung A400M so seine Gedanken macht - es könne z.B. "Aufschub 400 Tage Minimum" bedeuten.

Die Rollout-Zeremonien des Jahres 2008 könenn nicht darüber hinwegtäuschen,...

...dass das A400M Programm erheblich verzögert ist.

Das TP400-D6 am Herkules-Testträger hat am 17.Dezemeber 2008 erstmals abgehoben.

Das Antriebskonzept "Down between Engines"

Der A400M fleigt noch lange nicht.

Alle Fotos und Grafiken: © AIRBUS MILITARY