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"Militärische Erwägungen standen nicht im Vordergrund"
Der RH-Bericht zum download (LINK)

Der Präsident des Rechnungshofes, Dr. Josef Moser, fasst mit diesem Satz (siehe Überschrift) die Handlungen von Norbert Darabos im Zusammenhang mit dem Eurofighter "Vergleich" kurz und bündig zusammen. Und der Bundesminister für Landesverteidigung widerspricht dem nicht - es habe sich um eine "politische Entscheidung" gehandelt. Eine Entscheidung ohne Rücksicht auf gesetzliche Grundlagen - trotz anderslautender Durchführungsbestimmungen im Bundesfinanzgesetz konnte der Finanzminister für Darabos kein Partner sein und auch die Auswirkungen im Bereich des Wirtschaftsministeriums interessierten ihn nicht. Der Alleingang des Ministers ging sogar so weit, dass nicht einmal die betroffenen Dienststellen des BMLV ausreichend informiert wurden und selbst der Chef des Generalstabes aufgrund fehlender Informationen über die Vereinbarungen mehrfach Unterschriften unter Dokumente verweigern musste, die er durch den Leiter der Task Force "Luftraumüberwachungsflugzeug" vorgelegt bekam. Die gesamte Causa Eurofighter ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass Landesverteidigung hierzulande keinen Stellenwert hat. Die Republik hat das große Los gezogen und einen Zivildiener zum Verteidigungsminister bekommen - und dieser verfuhr mit unersetzlichen Ressourcen des Bundesheeres wie es ihm beliebte - ohne sich um Meinung der Regierung, der des Parlaments und dessen Landesverteidigungsausschuss, des Oberbefehlshabers oder um die des Generalstabes zu kümmern Im Rechtsstaat Österreich ist das möglich.
Martin Rosenkranz für www.airpower.at über den RH-Bericht betreffend des Vergleiches der Republik Österreich mit der Eurofighter GmbH.

Erhebliche Differenzen

Von den vom Minister angeblich behaupteten EUR 400 Mio. Einsparungen kann der Rechnungshof nur EUR 267 Mio. als Vertraglich gesichert feststellen.

Das sind einerseits jene 250 Mio. die irgendwann bis März 2009 an Österreich überwiesen werden sollen sowie eine Entgeltreduktion in Höhe von rd. EUR 17 Mio. welche durch In-Service-Support-Verträge mit Laufzeiten zwischen drei Jahren und sieben Monaten sowie acht Jahren und sieben Monaten ergibt.

Den "nicht stattfindenden Flugstunden" der drei abbestellten Eurofighter rechnet der Minister EUR 250,2 Mio. zu - es gibt jedoch bis dato keine Flugstundenreduzierung in den Planungsvorgaben ab 2015.

Insgesamt errechnet der Minister EUR 731,88 Mio. an Einsparungen, welche letztendlich virtuell bleiben. Schon jetzt ist klar, dass 15 Maschinen die Aufgabe LRÜ nicht bewältigen und die neu zu beschaffenden Jet-Trainer wiederum LRÜ-Aufgaben übernehmen und daher entsprechend bessere Flugleistung und auch Sensorik und Bewaffnung benötigen. Da die Einsparung durch Verringerung einer Leistung erzielt wird welche anderwertig durch höhere Leistung und Kosten kompensiert werden muss stehen diese Berechnung zwangsläufig auf schwachen Füßen und werden - weil es dazu auch keinerlei Unterlagen und Verträge gibt - vom RH zurecht nicht berücksichtigt.

Von neu und gebraucht sowie Tranche 1 und Tranche 2

Der Verzicht auf Tranche 2 (die sogenannten "Kampfbomber") bewirkt laut Darabos eine Einsparung von EUR 252 Mio., da Tranche 1/5 (die sogenannten "Neutralitätsflieger") bereits voll entwickelt sei und 30 Jahre unverändert im Betrieb blieben.
Gegenüber dem Rechnungshof stellt das BMLV allerdings fest (36.1), dass zwischen Tranche 1/Block 5 und Tranche 2/ Block 8 keine funktionalen Unterschiede bestehen - und auch mit Tranche 1/Block 5 könne die "Luft/Boden-Rolle" geflogen werden.

Eurofighter-Preise

Deutschland:
Die Kostenobergrenze für die Beschaffung der 180 deutschen Eurofighter lag zum Zeitpunkt 12/2002 bei EUR 13.317 Mio. - dies inkl. 16% MWSt. Das macht MWSt-bereinigt EUR 63,75 Mio. pro Flugzeug - dies Tranchenunabhängig.
Allerdings ist der deutsche Beschaffungsvertrag vollkommen anders aufgebaut. Anstatt einer Vorfinanzierung - wie in Österreich - gilt in Deutschland Zahlung bei Lieferung. Dies zu Preisen welche 12/1997 mit der Industrie fixiert jedoch mit einer Preisfortschreibungsklausel versehen wurden. Es kommt also anhand von Zahlen durch das Statistische Bundesamt (BRD) zu einer jährlichen Preisfortschreibung der Restkosten des Programms. Jedes nicht ausgelieferte der bestellten 180 Flugzeuge wird Jahr für Jahr teurer. Diese Teuerung lag von 1997-2002 bei durchschnittlich 2,1% p.A. zuzüglich der deutschen MWSt. Erhöhung im Jahr 1998 von 1%.
Zuzüglich der 3% MWSt. Erhöhung in Deutschland per 1/2007 liegt der Einkaufspreis einer Tranche 2/Block 8 Maschine für die deutsche Bundeswehr im Jahr 2008 bei über EUR 86 Mio. - davon ca. EUR 16 Mio. MWSt.

Österreich:
Gem. Bundesgesetz (BGBl. I Nr. 71/2003, Artikel 69) beträgt der Kaufpreis für 18 Eurofighter EUR 1.337 Mio. (EUR 74,27 Mio./Stk.) - dies inkl. einer Finanzierung durch eine öst Bank (inländische Wertschöpfung). Abzüglich der Finanzierung in Höhe von 204 Mio. € bleibt ein Netto-Stückpreis von EUR 62,89 Mio. zuzüglich EUR 11,33 Mio. Finanzierung.
Dies wurde unterschrieben am 1. Juli 2003, ist jedoch de facto das verlängerte Offert aus Mitte 2002.

Ergebnis:
Bereinigt von Steuersätzen und Finanzierungsmodellen ergeben sich abhängig vom Zeitpunkt der Zahlung bzw. des Offertes beinahe idente Preise.
(Ö-Offert EUR 62,89 Mio. aus Mitte 2002 zu BRD-Preis EUR 63,75 Mio. von Ende 2002). Eine Gleichbehandlung der Käufer wird auch durch "Meistbegünstigungsklauseln" in den Verträgen sichergestellt.

Darüber hinaus konnte der RH keine Einsparung durch den Verzicht auf Tranche 2 und die Akzeptanz gebrauchter Flugzeuge feststellen.
Hingegen stellt der RH fest (43.1), dass Tranche 1 bereits jetzt "obsolete Komponenten" enthalte = Ersatz- und Umlaufteile welche nicht mehr produziert werden und für welche Ersatzlösungen gefunden werden müssen.

Bemerkenswert jedenfalls, dass Darabos zwar exakt wissen will wie viel - weder bestellte, noch benötigte, ja durch den Hersteller noch nicht mal angebotene - Updates der Tranche 2/ Block 8 Maschinen kosten würden (252 Mio.).
Der Minister weiß aber nichts über die Verfügbarkeit von Ersatzlösungen für jene 27 betroffenen Tranche 1 Bauteile pro Flugzeug die man bereits besitzt und das BMLV kann auch nichts über die Kosten dafür angeben.

Kleine Nachhilfe von airpower.at: Die Beseitigung der Obsoleszenzen welche beim Wechsel von Tranche 1 auf Tranche 2 auftraten kostete den Partnernationen EUR 450 Mio. (Siehe hierzu auch den Forumsbeitrag vom 27.Juni 2007)

Durch den Verzicht der im Ursprungsvertrag enthaltenen Umrüstung der ursprünglich sechs Tranche 1-Flugzeug auf Tranche-2 Konfiguration, erspart sich die Eurofighter GmbH zusätzlich EUR 18,6 Mio. an Materialwert (35.1) sowie nicht quantifizierbare Montage- und Entwicklungskosten. Ein Preisnachlass hierfür ist im Vergleich nicht nachvollziehbar.

DASS & PIRATE

Darabos hat die Bestellung von je sechs elektrooptischen Zielerfassungsystemen (PIRATE) sowie elektronischer Selbstschutzsysteme (DASS) storniert. Gem. Aussage des Ministers seien dies "Angriffskomponenten" und "darauf ausgerichtet seien, dass der Eurofighter Auslandseinsätze der Nato fliegt."

Wie der RH feststellt (28.1-29.3) waren dies "im Vergabeverfahren als zwingen zu erfüllende Leistungselemente". Die elektrooptischen Zielerfassungsysteme waren vorgesehen um Ziele auch bei Nacht und Schlechtwetter optisch eindeutig erfassen zu können und über elektronische Selbstschutzsysteme verfügten bereits die Draken und die geliehene F-5E "Tiger".
Um dem geltenden operativ taktischen Konzept genüge zu tun fehlen jetzt allerdings Sehhilfen zur Identifizierung von Luftzielen bei Nacht.

Der RH bemerkt dazu, dass durch die Verringerung des Leistungsumfanges die Effizienz der Flugzeuge nicht im vollem Umfang genützt werden kann.

"fast neuwertig", "logistisch Baugleichheit" und "keine relevanten Unterschiede"

Entsprechend der Verhandlungsführung von Norbert Darabos - die Verhandlungen um Sachwerte in Milliardenhöhe wurden weder dokumentiert (5.1), noch wurde die Finanzprokurator eingebunden und auch die betroffenen Dienstellen im BMLV wurden nur auszugsweise informiert.
Dementsprechend mangelhaft gestalten sich die Formulierungen im Vertrag. Zwar verzichtete der Minister wechselseitig auf strittige Vertragsstrafen- und Schadenersatzforderungen. Eine exakte Definition des Begriffes "fast neuwertig" welcher bei den sechs gebrauchten Maschinen die Begriffe "ungebraucht und fabriksneu" ersetzt erfolgte nicht.
Auch ergibt sich eine erhebliche Differenz zwischen den BMLV-intern festgelegten Maximalwerten für die Abnutzung der gebrachten Maschinen und den von Minister Darabos gegenüber dem Parlament beauskunfteten Daten zu den realen Werten.

Darabos ging bei den Vergleichsverhandlungen von 150 bis 200 Stunden je gebrauchter Maschine aus, gegenüber dem Parlament beauskunftete er im Dezember 2007 durchschnittlich 144 Stunden pro Maschine, bereits im Oktober 2007 wiesen sie aber real bereits durchschnittlich 207 Stunden auf.
Im Vergleich wurden jedoch keine Maximalwerte festgelegt. Ebenso fehlen entsprechende Definitionen für die Abnahme- und Güteprüfung der gebrauchten Maschinen.

Der "Besserungsschein"

Auf jeden Fall einen guten Platz im Skurrilitätenkabinett sollte dem sogenannten "Besserungsschein" (20.1 - 20.4) zugedacht werden.
Auf diesem lies sich Norbert Darabos zusichern, dass Mehrerlöse durch die Verwertung der Tranche 2 Flugzeuge der Republik Österreich zufallen würden - und er sprach diesem Papier einen Wert von EUR 30 Mio zu.
In der Detailvereinbarung wurde dieses auf sechs der neun betroffenen Maschinen eingeschränkt. Real hat dieses Papier gar keinen Wert, da ein Mehrerlös nicht erzielt wurde. Kontrollrechte für den vereinbarten Mehrerlös-Anspruch für das BMLV bestehen nicht.

Abschließend...

...ist der Eurofighter GmbH zu diesem Vergleich nur zu gratulieren. Sie hat nach längerem hinhaltendem Widerstand dem Willen von Norbert Darabos - der als Vertreter des Vertragspartners Republik Österreich auftrat - nachgegeben.
Ob dieser Vergleich rein rechnerisch letztlich zugunsten oder zuungunsten des Käufers Österreich ausfällt oblag nicht der Verantwortung des Verkäufers. Aber zumindest brachte der Vergleich wieder Ruhe ins Programm - und im Gegensatz zur Zeit des Untersuchungsausschusses scheint es nun der Truppe und dem Hersteller wieder möglich zu sein ihre Arbeit zu tun - wenn auch mit verringerten Kapazitäten.

Dass es nach wie vor Politiker und Medien gibt welche behaupten die Eurofighter der Republik Österreich wären sehr viel teurer gewesen (was nachweisbar nicht zutreffend ist) als jene anderer Nationen ist die eine Seite. Dass die Republik Österreich rechnerisch die günstigsten Tranche-2 Flugzeuge gehabt hätte und nach Vergleich nun die teuersten Tranche-1 Flugzeuge besitzt ist die andere Seite der Medaille. Aber in einem Land in dem hohe politische Vertreter ihren Verhandlungspapieren Millionenwerte zuschreiben, obwohl diese nüchtern betrachtet nicht das Papier wert sind auf dem diese Zahlen stehen, sind das wohl untergeordnete Probleme.