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Ich seh, ich seh was du nicht siehst....
Schmierenkomödie rund um Offenlegung des Eurofighter-Vertrages

Schon im Sommer und Herbst 2004 begann zwischen Regierung und Oppositionsabgeordneten ein Streit um die Offenlegung des Eurofighter-Vertrages.
Kumulationspunkt dieses Konfliktes ist vor allem der Rechnungshofausschuss des Parlamentes, in welchem die Berichte des Rechnungshofes - und u.A. eben auch die inzwischen schon drei Berichte rund um die Abfangjäger-Beschaffung - behandelt wurden und werden.

Werner Kogler zieht aus Ausschüssen aus, wenn er nicht kriegt wozu er gar kein Recht hat - ach wie lustig doch Politik sein kann.
Foto: Martin Rosenkranz

Cap und Kräuter fordern den "Vertrag auf den Tisch" zu legen. Und Kräuter schiesst nach: "Der Tag des Untersuchungsausschusses wird ohnehin nach der nächsten Nationalratswahl kommen, denn dann werde sich eine klare Mehrheit im Nationalrat dafür finden".
Foto: Martin Rosenkranz

Pilz wirft Platter vor sich hinter der Amtsverschwiegenheit zu verstecken und zog aus dem Ausschuss aus als der Minister ihm weder Einblick in den Vertrag gewährte, noch die Namen der Unterzeichner des Vertrages und auch nicht den Wortlaut der Geheimhaltungsklausel nannte.
Foto: Martin Rosenkranz

Walter Murauer (ÖVP): "Der Rechnungshof, das höchste Prüforgan des Parlaments, hatte Einsicht in den Eurofighter Vertrag und stellte fest, dass EADS der Bestbieter war. Der Verteidigungsminister unterliege der verfassungsrechtlich festgelegten Amtsverschwiegenheit und könne den Vertrag der Öffentlichkeit nicht zugänglich machen. "Über diese Tatsachen ist Pilz zur Genüge informiert. Plötzliche und unsinnige Kritik trägt nicht zur aktiven Gestaltungsarbeit für Österreich bei".
Foto: Martin Rosenkranz

Begriff des Staatsgeheimnisses
§ 255. StgB - Staatsgeheimnisse im Sinn dieses Abschnitts sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, insbesondere Schriften, Zeichnungen, Modelle und Formeln, und Nachrichten darüber, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht oder einer über- oder zwischenstaatlichen Einrichtung geheimgehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die Landesverteidigung der Republik Österreich oder für die Beziehungen der Republik Österreich zu einer fremden Macht oder einer über- oder zwischenstaatlichen Einrichtung hintanzuhalten.
So richtig intensiv wurde die Auseinandersetzung Anfang Oktober 2004 als der Vorsitzende des Rechnungshof-Ausschusses, Werner Kogler von den Grünen, mit einer geschäftsordnungswidrigen Sitzungsunterbrechung eine Abstimmung verhindert.
Grund für die Unterbrechung ist eine Liste an Zeugen, welche die Oppositionsabgeordneten gerne hören und befragen würden, deren Ladung von den Regierungsabgeordneten - und jene haben die entscheidende Mehrheit - abgelehnt wird.
Am 27. Oktober 2004 wird die Sitzung zwar kurz aufgenommen aber dann wiederum auf unbestimmte Zeit unterbrochen - der Ausschuss ist in Folge zwar noch verhandlungs- aber nicht mehr beschlussfähig.

Am 20. Dezember 2004 wird die Sitzung neuerlich aufgenommen. Die 12 Anträge der Oppositionsparteien auf Ladung weiterer Auskunftspersonen werden aber neuerlich durch die Bank abgelehnt. Die Opposition spricht von "Kontrollnotstand" und zieht aus Protest aus dem Ausschuss aus. Der Bericht selbst wird mit den Stimmen der ÖVP- und FPÖ-Abgeordneten angenommen und dem Plenum zugewiesen.

Offensichtlich findet die Opposition gefallen an ihren "Auszügen" aus dem RH-Ausschuss, denn am 29. Juni 2005 war es neuerlich so weit.

Mit der Forderung nach Vorlage und Einsicht in den Kaufvertrag stießen die Oppositionsabgeordneten bei der Regierung auf taube Ohren. Zum Zweck der Prüfung von "Ausstiegsmöglichkeiten" forderte die rot-grüne Opposition geschlossen den "Kaufvertrag auf den Tisch" zu legen. Die Regierungsparteien waren jedoch nicht einmal gewillt das fragliche Dokument in einer "vertraulichen Beratung" zu diskutieren.

Minister Platter stellte klar, dass es keinen Rücktritt vom Vertrag geben werde - außer es gebe keine Lieferung, was laut Platter jedoch nicht eintreten werde.

Darüber hinaus werde es auch keine Vertragsoffenlegung geben, führte der Ressortchef weiter aus und Abgeordnete der Regierungsparteien bezeichneten so eine Offenlegung kurz und bündig als "unverantwortlich". Primär zwei Faktoren dürften dafür ausschlaggebend sein. Zum einen musste sich Österreich im Vertrag mit der Eurofighter GmbH zur Geheimhaltung verpflichten. Zum anderen dürften vor allem die technisch relevanten Passagen - noch viel stärker geschützt - im Rang eines Staatsgeheimnisses stehen.
Jedenfalls, führte der Minister aus, wurde der Vertrag, mit Ausnahme von Teilen die den Sperrvermerk "NATO secret" tragen, dem Rechnungshof zur Verfügung gestellt.

Nach einer Sitzungsunterbrechung, die auf Wunsch des Grün-Abgeordneten Peter Pilz erfolgte, verließen deshalb die SPÖ-Abgeordneten und die Grün-Mandatare Pilz und Werner Kogler die Beratungen des Rechnungshofausschusses, der in Folge den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes mit den Stimmen der Regierungsparteien einstimmig annahm.

Geheim - selbst vor dem Parlament ?

Doch darf ein Minister dem Parlament Unterlagen verweigern? Die Antwort findet sich im Artikel 52a des Bundes-Verfassungsgesetzes und auch im § 32c des Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates.
Diese halten fest, dass jedes Ausschussmitglied vom zuständigen Mitglied der Bundesregierung einschlägige Auskünfte verlangen darf. Einsicht in Unterlagen bedürfen eines Beschlusses des Ausschusses, somit einer Mehrheit - über welche die rot-grüne Opposition nicht verfügt.
Und selbst dann besteht für das Mitglied der Bundesregierung keine Verpflichtung zur Offenlegung von Dokumenten, wenn durch diese nationale Interessen oder die Sicherheit von Personen gefährdet werden könnten.
Der Begriff "nationales Interesse" besitzt zweifelsohne jene berühmte "Elastizität", die es gestattet ihn über fast alles zu ziehen. Wenn jedoch der Vertragspartner Republik Österreich dem Vertragspartner Eurofighter GmbH Geheimhaltung zugesagt hat, dann ist es zweifellos im nationalen Interesse, dass eben dieses Geheimnis - wie vertraglich zugesichert - gewahrt bleibt.

Und trotzdem könnte das Parlament noch Einsicht in den Vertrag erzwingen - indem eine Mehrheit der Abgeordneten einem Antrag auf Untersuchungsausschuss zustimmt. Diesem müssten gemäß Artikel 53 des Bundes-Verfassungsgesetzes alle öffentlichen Ämter auf Verlangen ihre Akten vorlegen.

Der gordische Knoten für die Opposition findet sich dann aber im § 310 des Strafgesetzbuches. Dieser droht Mitgliedern von Untersuchungsausschüssen mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug (und auch mehr, wenn das Vergehen wo anders strenger unter Strafe gestellt ist), falls diese ihnen in vertraulicher Sitzung zugänglich gewordenes Geheimnisse offenbaren oder verwertet, wenn diese Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen.
Wird also nichts mit "veröffentlichen", es sei denn einer der Abgeordneten möchte gerne schwedische Gardinen von innen betrachten.

"NATO secret" - was nicht mal der Rechnungshof wissen darf (und auch gar nicht versteht)

Vorab - auch wir sind hier auf reine Spekulation angewiesen - allerdings liegt man mit ein bisschen Überlegung und etwas Militärluftfahrt-Allgemeinwissen vielleicht gar nicht so falsch.
Immerhin ist schon in den Eurofighter-Herkunftsländern jede Veröffentlichung von Daten rund um das System ein höchst komplexer Prozess. Jedes Datenblatt und jede sonstige Presseinformation darf dort nur aus eine Pool an freigegebenen Informationen geschöpft werden - wobei die Freigabe für die Informationen sowohl von allen vier EF-Staaten, der NATO und auch der Industrie kommen muss. Ist eine dieser Stellen mit einer Veröffentlichung nicht einverstanden, dann können diese Informationen nicht freigegeben werden.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind deshalb unter "NATO secret" eine Reihe von technischen Details zusammengefasst, die Österreich als Käufer und Betreiber natürlich wissen muss bzw. davon Kenntnis erlangt, die aber selbst in den Herkunftsländern geheim sind.

Dazu ist zu sagen, dass der Kaufvertrag ja nicht nur den Preis und sonstige Bedingung der Vertragsabwicklung enthält, sondern natürlich auch die zu erbringende Leistung - was zwangsweise in eine ganze Reihe technischer Details - angefangen von simplen Dingen wie Gewicht und Größe, bis hin zu Frequenzbandbreiten und Verschlüsselungsmechanismen im Bereich Funk- und Datenübertragung - mündet.

Da der Eurofighter ein Produkt von vier NATO-Staaten ist, von den Staaten bei der Industrie bestellt mit Steuergeldern der Staaten entwickelt und produziert wurde und wird - wobei aufgrund der angestrebten NATO-Kompatibilität vor allem im Bereich der Kommunikation Technologien zum Einsatz kommen, die in der ganzen NATO Standard sind - ist umfassenden Schutzmechanismen legislativer Art für eben diese Technologien auszugehen.
Alleine schon die Tatsache, dass Österreich so ein System kaufen "darf", ist ein erheblicher Vertrauensbeweis an die Republik Österreich, dass hierzulande mit den geheimen Daten so eines hochmodernen Systems entsprechend umgegangen wird.

Und da es hier nicht mehr nur um ein Produkt einer Firma geht, dass Österreich kauft, sondern um Daten und Technologien, die in den Herkunftsstaaten ebenfalls als streng geheim eingestuft sind, wird es wohl entsprechende zwischenstaatliche Verträge der Herkunftsländer mit der Republik Österreich geben - geheime Staatsverträge.
Und diese dürften nichts allzu besonderes sein. Es gibt diese länderübergreifenden Geheimhaltungsmechanismen mit Sicherheit rund um einige Systeme des Black Hawks und eventuell auch rund um Systeme wie Leopard 2, PAL BILL, Mistral, Sidewinder, Skyguard, etc.

Die Folgen von solch unerlaubter Veröffentlichungen sind sowohl rechtlich als auch finanziell potenziell unabschätzbar - immerhin könnten Waffensysteme oder deren Subsysteme in allen NATO-Staaten sowie Exportländern betroffen sein. Deshalb wird sich jede Regierung - jetzt und in Zukunft - an die entsprechenden Geheimhaltungsklauseln halten, selbst wenn ein und die selbe Person jetzt als Oppositionspolitiker lauthals die Veröffentlichung verlangt.

Aber Österreich ist - und bleibt offenbar - diesbezüglich ein Kindergarten. Nirgendwo sonst sind Fragen der Landesverteidigung und Sicherheitspolitik so sehr Thema der Tagespolitik wie hierzulande. Welchen Eindruck das macht und welches Vertrauen das erweckt - vor allem auch in Hinblick auf eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik -, mögen sich die betreffenden Politiker selbst überlegen.
Wie diese Politiker ihren Wählern erklären, dass sie (mglw. zukünftig) als Regierung ihre irrationalen Oppositionsforderungen nach "Veröffentlichung" gar nicht verwirklichen können - ihr Blatt überreizt haben -, ist sowieso deren ganz eigenes Problem.

Martin Rosenkranz, maro@airpower.at