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Alte Granate gegen moderne Hubschrauber
Assymetrische bodengestützte Luftverteidigung mit RPG-7 gefährdet immer öfter Hubschrauber

Black Hawk down in Mogadischu - keine Einzelfälle sondern inzwischen schon Methode.
Foto aus dem Film "Black Hawk down"

Vor allem auch in unübersichtlichen urbanen Gebiet - wie hier im Gaza-Streifen - werden RPG-7s oft zum Einsatz gebracht.

Erprobt, billig, einfach zu handhaben, überall zu bekommen - und tödlich

...Kontraste...

Mogadischu, Somalia, 3. Oktober 1993 - Bei dem Versuch den Führer der somalischen Milizen, General Mohamed Farah Aidid, festzunehmen werden kurz hintereinander zwei UH-60 "Black Hawk" Hubschrauber der US Streitkräfte durch raketengetriebene Holladungsgranaten der Type RPG-7 so schwer beschädigt, dass sie noch im Standgebiet von Mogadischu abstürzen. Ein dritter UH-60 erleidet durch eine RPG-7 so schwere Schäden, dass er den Einsatz abbrechen und auf den Einsatzflugplatz zurückkehren muss.
Was als Kommandooperation begann wandelte sich zu einer Evakuierung unter Gefechtsbedingungen im Stadtzentrum. Im Zuge der Schlacht sterben 18 US-Soldaten und ein malaysischer Soldat. 84 US-Soldaten und sieben malaysische Soldaten werden verwundet. Mehrere hunderte Somalis werden getötet und verwundet.
Die Ereignisse in Mogadischu, die dem Hollywood Streifen "Black Hawk down" seinen Titel gaben ist jedoch kein singuläres Ereignis, sondern kommt inzwischen regelmäßig vor. Sogar Hubschrauber, die mit hohem Aufwand durch teure Elektronik vor infrarotgesteuerten "MANPADS" Lenkflugkörpern geschützt sind, werden Opfer der RPG-7, weil der "dummen" Raketengranate mit passiven Gegenmaßnahmen nicht beizukommen ist.

Die RPG-7 (Ruchnoy Protivotankoviy Granatomet-7)

Entwickelt in den 50er Jahren und erstmals 1961 bei den sowjetischen Streitkräften in Verwendung, ist die RPG-7 ein direkter Nachfahre der "Panzerfaust" bzw. "Faustpatrone" die im II. Weltkriegs ab 1942/43 in der deutschen Wehrmacht Verwendung fand.
Die RPG-7 ist eine von der Schulter abgefeuerte, raketengetriebene rückstossfrei abzufeuernde Hohlladungsgranate, primär entwickelt zur Bekämpfung gepanzerter Fahrzeuge.
Die Waffe ist relativ billig, sehr effektiv und erfährt deswegen bis heute eine immense Verbreitung. Sie ist Standard-Equipment von Streitkräften in über 40 Ländern und wird neben Russland in vielen Ländern lizenziert oder unlizenziert gefertigt. RPG-7's sind bei internationalen Waffenhändlern in beliebigen Stückzahlen sofort verfügbar und sind in ganz Asien, ganz Afrika, weiten Teilen Lateinamerikas, im ganzen arabischen Raum sowie in ganz Ost- und Südosteuropa bei regulären Streitkräften, Milizen und Terrorgruppen anzutreffen - schon mit ein paar hundert Dollar ist man "live dabei".

Das Gerät besteht aus einer Starteinrichtung, welche als 953 mm langes Stahlrohr mit 40mm Kaliber mit optischer Zieleinrichtung, zwei Handgriffen und zum Teil mit Zweibein, mit einer Masse von ca. 7kg ausgeführt ist. In der Mitte ist das Rohr mit Holz verkleidet um den Schützen vor der Wärme zu schützen und am rückwärtigen Ende ist das Rohr konisch erweitert um den rückstoßfreien Austritt des Antriebsstrahles zu ermöglichen. Die optische Zieleinrichtung kann durch passive Nachtsichtgeräte ersetzt werden, was aber selten vorkommt.
Die Granaten selbst sind überkalibrig (70 - 105 mm), wiegen zwischen 1,76kg und 4,7kg und werden von vorne in die Starteinrichtung geladen.
Verschiedene Granaten für die RPG-7 wurden entwickelt, in Verwendung stehen allerdings überwiegend die simpleren und billigeren panzerbrechenden Hohlladungsgranaten mit einer Durchschlagsleitung von - je nach Type - bis zu 600mm Panzerstahl. Außerdem sind Granaten mit Tandem-Gefechtskopf gegen Reaktiv- und Schichtpanzerung, mit hochexplosivem Anti-Personen Splittergefechtskopf und mit thermobarischem Gefechtskopf bekannt.

Beim Abschuss wird das Geschoss von einer Startladung mit einer Geschwindigkeit - je nach Type - von 66m/s bis 152m/s aus dem Rohr geworfen. Wenn das Geschoss das Rohr verlässt klappen zwei Sets an Flossen aus - ein Set um die Flugbahn zu stabilisieren und ein zweites um das Geschoss in Rotation zu versetzen. 10m nach Verlassen des Rohres zündet der Raketenmotor der Granate, welcher das Geschoss bis in eine Distanz von 500m mit einer Geschwindigkeit von bis zu 295m/s antreibt. Danach wird der Flug ohne Antrieb fortgesetzt bis sich das Geschoss bei einer Distanz von üblicherweise 920m (je Type 700m bis 1.000m) selbst zerlegt.

Im Einsatz

Die maximale effektive Einsatzreichweite für einen guten Schützen beträgt 300m für ein sich bewegendes Ziel und 500m für ein stationäres Ziel. Allerdings gilt in vielen Fällen die Einsatztaktik "je näher, desto besser" und häufig wird die Waffe auf Distanzen von 80m und darunter zum Einsatz gebracht.

Die Sowjetarmee sah den Einsatz von einer RPG-7 pro motorisierter Schützengruppe vor. In verschiedenen regionalen Konflikten wurde und wird der Einsatz der RPG-7 aber auch verdichtet. Im Iran-Iraq Krieg setzten die Iraner zwei RPG-7 pro 11 Mann Schützengruppe ein. Im Sowjetisch-Afghanischen Krieg begannen die Mujaheddin 1983 mit einer RPG-7 pro 10-12 Mann und verdichteten bis 1987 auf zwei RPG-7 pro 10-12 Mann.

In speziellen Panzer-Killer Teams wurden 50 bis 80% der eingesetzten Truppe mit RPG-7 ausgestattet und somit bis zu 15 RPG-7 auf ca. 20 Mann aufgeteilt. Bei solchen Einsätzen werden Fahrzeuge simultan mit zwei oder drei RPG-7 aus Entfernungen von 20m bis 50m angegriffen, wodurch sich die Trefferwahrscheinlichkeit erhöht und sich die Chancen für den Angegriffenen, den Angriff abzuwehren, entsprechend vermindern.

Ausserdem wurden eigens Taktiken entwickelt, um die RPG-7 als Ersatz für Steilfeuer oder Luftunterstützung zum Einsatz zu bringen.

Die Jagd auf Hubschrauber

Obwohl die RPG-7 für den Erdkampf entwickelt wurde, gibt es immer öfter Vorfälle mit Hubschraubern. Diverse Taktiken wurden entwickelt um Hubschrauber am Boden oder in Bodennähe effektiv zu bekämpfen.
Beim Einsatz gegen luftmobile Infanterie werden mögliche Landezonen identifiziert, vermint und mit RPG's und Maschinengewehrnestern umstellt.

Selbst wenn Hubschrauber keine Landezonen anfliegen gibt es immer noch Möglichkeiten der Bekämpfung. So wurde eine Schossentfernung von ca. 100m auf einen an- oder überfliegenden Hubschrauber als optimal ermittelt. Wie schon gegen Bodenziele wird auch gegen Luftziele die Taktik praktiziert, im Team möglichst mehr als ein Geschoss gleichzeitig abzufeuern um die Trefferwahrscheinlichkeit zu erhöhen.

Auch wenn die Hubschrauber weiter entfernt sind, ergeben sich noch Möglichkeiten eine RPG zum Einsatz zu bringen, wenn die Hubschrauber nur nah genug am Boden sind. Gute Schützen schießen den an- oder abfliegenden Hubschraubern so nach oder entgegen, dass die selbstzerlegenden RPG-7 Geschosse wie Flakgranaten wirken. Wenn auch ein direkter Treffer reiner Zufall wäre, so steigt bei dieser Einsatztaktik mit der Anzahl der Ziele und der abgeschossenen Granaten zumindest die Wahrscheinlichkeit auf Schäden am oder Verletzte im Hubschrauber.

Ebenfalls zunehmend "beliebt" sind kombinierte Einsätze von RPG-7 und MANPADS-Teams (z.B. Strela oder Igla), wobei offenbar versucht wird, durch Schaffung einer für den Angegriffenen möglichst unübersichtlichen Situation sich gegenseitig Feuerschutz zu geben und andererseits die eigene Trefferwahrscheinlichkeit zu erhöhen.

Eine Auswahl der Hubschrauber-Abschüsse mit RPG's der letzten Jahre:

Darüber hinaus wird in vielen Fällen nur "Small Arms Fire" als Ursache für Abschuss oder Beschädigung angegeben wo das vorhandensein von RPG's zumindest anzunehmen ist.

Anti-RPG-Taktiken für Hubschrauber

Es gibt für Hubschrauber mehrere Möglichkeiten die Gefährdung durch RPG's zu minimieren.
Eine der simpelsten Methoden ist das Einnehmen sicherer Flughöhen. Da das RPG-Geschoss für den Erdkampf konzipiert wurde hat es trotz einer horizontalen Reichweite von bis zu 1.000m nicht die Kraft große Höhen zu erreichen. Selten werden mit RPG's Schusshöhen über 100m erzielt und Höhen ab 170m gelten gemeinhin als sicher.

In Gebieten wo die Flughöhe verringert werden muss - wie z.B. bei Helipads oder in anderen Landezonen - sollten sichere Flughöhen so spät wie möglich verlassen bzw. so schnell wie möglich erreicht und Schwebeflüge generell so gut wie möglich und in Gefechtszonen auf jeden Fall vermieden werden.
Wenn es die Situation und Flugsicherheit zulässt sollte bei Nacht oder schlechter Sicht möglichst ohne Positionslichter geflogen werden, denn sie geben den Schützen ein wesentlich bessere Sicht auf sei Ziel als umgekehrt.

Ebenso sollte der Flugweg so wenig wie möglich vorhersehbar gewählt werden. An- und Abflüge sollten ebenso wie Holding Patterns variiert werden. Sofern keine gewichtigeren taktischen Gründe dagegen sprechen sollte der Flugweg niemals entlang gut erkennbarer Geländemerkmale - zb. Flussläufen oder Strassen - richten. Und auch fliegen nach der Uhrzeit oder in gleichbleibenden bzw. absehbaren Sequenzen ist nicht zu empfehlen. Wer regelmäßig zur selben Zeit am selben Ort vorbeikommt, der "bettelt".

Bei Gruppen von Hubschraubern sollte der Abstand zwischen den einzelnen Maschinen so gewählt werden, dass ein möglicher Schütze nicht ohne große Richtungs- und Entfernungswechsel mehr als eine Maschine gefährden kann
Die einzelnen Hubschrauber müssen in der Lage sein sich gegenseitig Feuerunterstützung mit möglichst freien Schussfeldern zu geben und genug Platz haben um abrupte Ausweichmanöver durchführen zu können ohne sich dadurch gegenseitig zu gefährden. Denn im Gegensatz zu einer infrarotgesteuerten Boden/Luft-Rakete kommt ein RPG-Geschoss vergleichsweise gemächlich nach oben und lässt - vorausgesetzt die Besatzung hält die Augen offen und reagiert schnell und richtig - eine gewisse Chance selbst einem gut gezielten Schuss auszuweichen.

"Heiße Landezonen" sollten nach Möglichkeit unmittelbar vor der Landung "vorbereitet" werden. Vorher abgesetzte Kundschafter sowie bereitgehaltene Luft- und Steilfeuerunterstützung, um vorab eventuell ausgelegte Minen zur Explosion zu bringen bzw. je nach Wettersituation partiell auch Rauch und Nebelwände zum Sichtschutz für die anlandende Truppe auszubringen, sind ebenso wichtig wie die Auswahl der "richtigen" Landezone - denn LZ's "in bester Lage" sind auch dem Gegner bekannt.

Die RPG-7 und die assymetrische Kriegsführung in Zukunft

Auch wenn die RPG-7 inzwischen schon 45 Jahre am Buckel hat, ist eine Ende der Verwendung - angefangen von Bürgerkriegsmilizen in Drittweltstaaten bis hin zu regulären Armeen der industrialisierten Welt - nicht absehbar.
Vor allem im Nahkampf verleiht die RPG-7 einem einzelnen Mann immense Feuerkraft und ist ein erprobter, billiger und relativ simpel handzuhabender Killer - selbst gegen Hochtechnologie. Vor allem dort wo reguläre Armeen auf irreguläre Formationen stoßen ist daher mit dem Vorhandensein und dem Einsatz dieser Waffe jederzeit zu rechnen.

Martin Rosenkranz

Die RPG-7 ist seit den 60ern bei der Truppe.

"Adam und Eva" - die rückstossfrei aus einem Einwegrohr abzufeuernden Hohlladungsgranaten der deutschen Wehrmacht.

Unter anderem Russland, China und Pakistan liefern sich einen Wettkampf um die effektivsten RPG-Gefechtsköpfe - produziert in millionenfachen Stückzahlen.

Hier wird die Kupfereinlage durch die Hohlladung in den panzerbrechenden Stachel umgewandelt. Ab einer Geschwindigkeit von 2.400m/s ist Kupfer in der Lage Stahl zu durchdringen - Stachelgeschwindigkeiten von bis zu 10.000m/s werden bei der Explosion der Hohlladung erreicht und lassen schwersten Panzerstahl wie Butter weichen.
Foto: DASA

Gute Hohlladungsgranaten durchschlagen selbst mehrere schwere Panzerplatten, die Druck- und Splitterwirkung des Gefechtskopfes ist darüber hinaus noch in mehreren Metern Umkreis tödlich.
Foto: DASA

Eine Waffe, die am Schwarzmarkt schon für wenige hundert Dollar zu erstehen ist...

...knackt selbst modernste Millionen-Dollar teure Waffensysteme.

Die Bemühungen die RPG-Bedrohung zu verringern sind ähnlich effektiv wie das Sammeln von Regenwürmern mit der Hoffnung, dass die Art ausstirbt.

Wache sitzen am "receiving-end" eines Chinook Transporthubschraubers.

Immer öfter sind tief fliegende Hubschrauber das Ziel der ungelenkten raketengetriebenen Granaten.

Auf Sichtschutz basierende Selbstverteidigungssysteme für Fahrzeuge sind in der Regel nur auf größere Entfernung effektiv und bei fliegenden Systemen praktisch kaum anwendbar.
Foto: RUAG