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Fünf nach Zwölf
Von der hohen Kunst, die Zeit zurückzudrehen

Vom 28.9. bis 30.9. lud die Eurofighter GmbH über 30 Journalisten aus 10 Ländern ein um sich in Halbergmoos, Manching, Laage und Warton über den Programmstand und die weiteren Schritte rund um das modernste Kampfflugzeug Europas zu informieren. Martin Rosenkranz nahm für www.airpower.at an den Veranstaltungen teil.

Aloysius Rauen, Chief Executive Officer der Eurofighter GmbH: "Ich möchte die Organisation und das Programm wieder so auf Schienen bringen, dass es den Programmzielen und den Erfordernisse der Exportkunden entspricht. Wir sind in der Lage den Vertrag mit Österreich zu erfüllen."
Gleich zu Beginn der dreitägigen Veranstaltung kam der Chef selbst zu Wort. Aloysius Rauen, seit Mai des heurigen Jahres Chef des viernationalen Managementunternehmens "Eurofighter GmbH" räumte in seinem Vortrag der österreichischen Situation breiten Raum ein. Die Offenheit mit der dabei Informationen gegeben und Probleme behandelt wurden überraschte nicht nur - aber besonders auch - die vier Österreichischen Medienvertreter. Rauen betonte, dass dies der offenen Informationspolitik seines Unternehmens entspräche. Dieser Grundsatz gelt nicht nur wenn es gute Nachrichten zu verteilen gibt, sondern umso mehr auch dann, wenn die Neuigkeiten nicht so gut sind.

Er habe noch vor dem Sommer von "Konsequenzen" gesprochen, falls bis Mitte 2004 kein Tranche-2 Vertrag zustande kommen würde. Er habe dabei keinen leeren Worte von sich gegeben, und das hätten auch alle verstanden. Jetzt, nach dem Sommerurlaub - wo es noch immer keinen Tranche-2 Vertrag gibt - sei bei den vier Partnernationen der "Schock" relativ groß, dass es die nun auch zu den angekündigten Konsequenzen komme. Um ein Weiterlaufen der Produktion zu gewährleisten müsse die Fertigungszyklen gestreckt werden, was allerdings nicht in allen Bereichen gelingt. Vor allem bei den Zulieferern seien die Fertigungen für Tranche-1 in vielen Fällen schon abgeschlossen. Und auch bei den Hauptbaugruppen sei der Fertigungsprozess schon weit fortgeschritten und lasse nur noch wenig Streckung zu.

Das größte Problem Rauens dürfte aber der mit Österreich vereinbarte Liefertermin der ersten vier Maschinen per Ende Mai 2007 sein. Rauen betonte, dass dieser Termin unter Berücksichtigung einer vertraglich zugesagten Tranche-2 Vereinbarung per Ende 2003 gewählt wurde. Welche Gründe auch immer schuld gewesen sein, der Vertrag kam zu diesem Zeitpunkt nicht zustande - Punkt! Damals traf das Konsortium weitere Maßnahmen, um sich weiteren Spielraum für eine Entscheidung zu schaffen. Mit Einwilligung der Partnernationen wurden für Tranche-2 Bauteile mit langen Lieferzeiten geordert - sogenannte "Langläufer" - , womit sich die vier Partnernationen und ihre Industrien ca. ein halbes Jahr Spielraum für einen Entscheidung verschafften.

Doch auch aus einer Zusage, bis zum Sommer 2004 einen Vertrag zu haben, wurde nichts. Nun gebe es weder weitere Maßnahmen in Form von weiteren Bestellungen diverser Bauteile, um ohne Druck weiter verhandeln zu können, noch gebe es eine Übereinkunft der vier Nationen, bis wann es zu einer Unterschrift für Tranche-2 kommen soll. Kurz gesagt - es gibt derzeit keinen akkordierten Fahrplan, wie mit dieser Situation umgegangen werden soll.

Die Konsequenz für die Fertigung lautet teure Unterbrechungen in verschiedenen Bereichen der Fertigung und - von Interesse für Österreich - vorerst eine Verschiebung der ersten Lieferungen von Tranche-2 Maschinen auf Herbst 2007. Denn bisher benötigte die Industrie 38 Monate für die Fertigung und Auslieferung eines Eurofighters. Bis Mai 20007 sind es aber nur noch 32 Monate!

Rauen betonte, dass der Österreichische Kunde über die Situation voll informiert sei und wies auch darauf hin, dass der Österreichische Verteidigungsminister deswegen auch bei seinen Kollegen aus den vier Nationen vorstellig geworden sei - freilich ohne Erfolg.

Die Fertigung von Hauptbaugruppen für die ersten Tranche-2 Flugzeuge hat schon begonnen. Allerdings müssten jetzt die Bestellung von Kleinteilen und Avionik folgen um im Zeitplan zu bleiben.
Rauen betonte auch, dass die Eurofighter GmbH voll auf dem Boden des Vertrages steht und natürlich weiterhin gedenkt diesen Vertrag wie ausgehandelt zu erfüllen. Die dafür erforderlichen Maßnahmen und Auswirkungen auf Kosten und Liefertermine werden derzeit mit den vier Nationen verhandelt - dies sind für diese offenbar die erwähnten "Konsequenzen". Irgendwelche Änderungen hinsichtlich der Kosten für Österreich ergeben sich deshalb aber nicht, denn Österreich hat einen Fixpreis. Wer sonst diese zusätzlichen Programmkosten zu tragen blieb offen. Die vier Nationen seien sich ihrer Verpflichtungen bewusst und stünden "Schulter an Schulter" um interne Probleme nicht auf den Exportkunden Österreich abzuwälzen.

Welche Maßnahmen hier diskutiert würden erwähnte Rauen mit Hinweis auf die laufenden Verhandlungen nicht. Ebenso kann Rauen nicht sagen was das dann für Österreich bedeuten würde. Denn "Vertragserfüllung" kann auch bedeuten, dass die ausgehandelten Pönalen bezahlt werden.

Auch ist Rauen nach wie vor nicht in der Lage darüber Auskunft zu geben, von welcher der vier Endfertigungsstrassen die österreichischen Eurofighter kommen sollen. Logischer Platz dafür wäre eigentlich das bayrische Manching, von wo auch sämtliche deutschen Eurofighter ausgeliefert werden. Aber auch der Standort Warton, wo die englischen Eurofighter endgefertigt werden, könnte in Verhandlung sein. Einzig, dass die gesamte Fertigungsrate für die österreichischen Eurofighter nicht erhöht wird, sondern die Fertigungen für die vier Partnerländer entsprechend nach hinten geschoben werden, steht schon fest.

Aufmerksamen Zuhörern bei den Vorträgen viel auf, dass die Offiziellen der Eurofighter GmbH es peinlich vermieden irgendeinen Schuldigen zu erwähnen. Als Ursache der schwierigen Situation wurde nur herausgestrichen, dass einige Partner ihre Hausaufgaben gemacht hätten, einige aber nicht. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass die Ursache der entstandenen Probleme in den Finanzproblemen des britischen Verteidigungsministeriums zu suchen ist.

Innerhalb des Konsortiums steht die englische Regierung und der englische Industriepartner BAE SYSTEMS deshalb schon unter erheblichen Druck.
Offenbar wird in England noch über Vertragsdetails und Änderungen an den Flugzeugen diskutiert, die in weiterer Folge wieder zu einer Neuverhandlung in den anderen drei Partnerländern führen könnte. Vor allem der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck will diese Verzögerungen nicht mehr hinnehmen. In einem Schreiben teilte Struck seinem britischen Amtskollegen Geoff Hoon mit, dass es für Zusatzwünsche kein Geld gibt und die Verhandlungen ehestens - Struck meinte bis zum 15. Oktober - abzuschließen seien. Struck warnte auch vor extrem negativen Folgen für die Zukunft des ganzen Programms, sollte es heuer zu keinem Abschluss kommen. Für heuer sind von deutscher Seite EUR 1,12 Mrd. für den Eurofighter budgetiert, jedoch nichts im nächsten Jahr.
Chris Boardman, Managing Director Typhoon bei BAE SYSTEMS: "Wenn wir nicht bald zu einer Lösung kommen ist das ein Desaster für das ganze Programm."

Außerdem droht inzwischen auch ganze mühsam errichtete Vertragspyramide zwischen den Regierungen, dem Konsortium, den Zulieferern und Subunternehmern in sich zusammen zu brechen, da die jeweiligen Preiszusagen entweder schon abgelaufen sind oder bald ablaufen werden.

Dass die Situation bald eine Lösung benötigt, dessen ist man sich auch in England bewusst. Chris Boardman, Managing Director Typhoon bei BAE SYSTEMS, sprach offen von einem großen Desaster, nicht nur für Österreich sondern für das ganze Programm, falls man nicht in den nächsten Monaten zu einem Tranche-2 Vertrag kommt.
Er sähe keinen logischen Grund, weshalb man nicht Mitte November das Ziel erreichen könnte. Eine Übereinkunft könnte als eine Art Initialvereinbarung oder auch als richtiger Tranche-2 Vertrag erzielt werden.

Nicht ganz so krass aber ähnlich äußerte sich auch Brian Phillipson, Programme Management Director bei der Eurofighter GmbH. Das Programm befinde sich in einer kritischen Situation. Phillipson glaubt aber trotzdem nicht an eine Unterschrift vor Ende November. Von seinem Standpunkt aus koste es unnötig Geld teure Fertigungstechnik und Personal nicht voll auszunutzen. Wenn eine Unterschrift nicht bis Mitte Dezember vorläge, dann würde das Programm weitere Rückschläge erleiden, weil dann Zulieferbetriebe anfangen die hochpräzisen Bohr-, Fräs- und Schweißroboter für andere Arbeiten umzuprogrammieren (z.B. auf Airbusteile). Ein Prozess der inkl. der Probeläufe einige Wochen in Anspruch nimmt, um von einem Produkt auf ein anderes umzustellen. Dann wären notwendige Fertigungskapazitäten erst recht längerfristig nicht verfügbar.

Ein in London tätiger irischer Militärjournalist stellte zur Situation im britischen Verteidigungsministerium lapidar fest: "Wir haben all unser Geld verbraucht um in anderer Leute Länder einzufallen. Das kostete und kostet so viel, dass alles zusammengekratzt wurde was da war. Selbst in die, für den Eurofighter vorgesehenen und reservierten Töpfe, wurde gegriffen. Jetzt ist das Geld weg und es gibt kein neues. Das britische Verteidigungsministerium kann hier gar nichts tun und dem britischen Finanzminister ist es herzlich egal welche Konsequenzen das für irgendwen hat. Er sieht keinen Sinn darin, Geld für etwas auszugeben was ihn nicht interessiert, nur weil irgendwelche suspekte Staaten vom Kontinent ihn dazu auffordern. Es wurde von Defence an Treasury nicht einmal noch herangetreten um entsprechende Mittel zu bekommen. Es geht nicht um Kapazitäten des Flugzeuges, es geht nicht um Termine oder ähnliches, es dreht sich einfach nur ums Geld."

Hauptziel Rauen's ist noch bis Ende des Jahres einen Vertrag oder zumindest eine Handlungsermächtigung zu bekommen, um mit der Tranche-2 Fertigung beginnen zu können. Der deutsche Chef der Eurofighter GmbH zeigte sich jedenfalls zuversichtlich in diesem Fall die anstehenden komplexen Probleme noch lösen zu können. Was passiert sollte es dazu nicht kommen, darüber wollte Rauen keine Auskunft geben. Er meinte statt dessen, wir können, falls diese Situation eintreten sollte, wieder darüber reden. Wir hoffen sehr - anders als die Eurofighter-Gegnerschaft in Österreich - dass dies nicht notwendig sein wird.

Martin Rosenkranz