Im Interview: Eurofighter Testpilot Chris Worning
"...wir haben Auftrieb ohne Ende..."

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Chris Worning
Foto: EADS

Chris Worning mit seinem Chef Aloysius Rauen, dem Leiter EADS Militärflugzeuge nach einem Eurofighter-Flug.
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Chris Worning mit Luftwaffenpilot Tantarn während der Ausbildung zum Instructor-Pilot.
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Chris Worning im Gespräch mit Generalmajor Wolf
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Chris Worning
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Die IRIS-T Software-Integration fängt dieses Jahr an.
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Die Integration der schweren Waffen in das Flugsteuerungssystem läuft.
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Chris Worning ist Däne, 46 Jahre alt, verheiratet und leitender Testpilot im Eurofighter Programm.
Seine fliegerische Laufbahn begann bei der dänischen Luftwaffe wo er von 1976 bis 1991 die Typen F100 und F-16 flog. Danach begann seine Karriere als Testpilot bei Dornier von wo er über die DASA zur heutigen EADS kam. Chris Worning hat 4.650 Flugstunden auf seinem Konto.
Neben seiner anstrengenden Tätigkeit im Eurofighter spielt er gerne Golf, fährt gern Ski oder kümmert sich liebevoll um seine drei Hauskatzen.

Das Interview führt Georg Mader für www.airpower.at.

Georg Mader: Als Testpilot, der du mit dem Eurofighter mitgewachsen bist, immer wieder "Predigst" bei Vorträgen über Carefree-Handling etc. Fass bitte einmal kurz zusammen was für dich das "Pilots-Aircraft" Eurofighter ausmacht - vielleicht im Vergleich zu "was früher war".

Chris Worning: Es sind zwei Sachen.
Zum einen "Flugleistung" - und das bezieht sich nicht nur auf die Power sondern auch auf die Aerodynamik. Eurofighter ist unheimlich wendig, hat unheimlich viel Power, wir haben Auftrieb ohne Ende in jedem Geschwindigkeitsbereich. Mit ein Grund, dass wir den großen Deltaflügel haben ist, dass wir mit sehr, sehr niedrigen Anstellwinkeln bei großer Geschwindigkeit fliegen - da kommt die Überschallleistung her - und natürlich aus den Triebwerken.
Dazu kommt, dass die Flugsteuerung so gut gelungen ist, dass die Maschine unheimlich einfach zu fliegen ist - das hat Major Franz Sixt ja auch gesehen. Heinz Spoelgen hat ihm bedenkenlos das Steuer überlassen können und der Franz hat mit eigenen Augen sehen können wie leicht das Flugzeug handzuhaben ist.

Und die zweite Sache ist das Cockpit - das ganze Arbeitsumfeld. Zum ersten, unheimlich bequem - alles groß ausgelegt - große Schalter, große Displays.
Und die Schnittstelle Mensch-Maschine wird von jedem - JEDEM - der das Flugzeug fliegt gelobt.

Wichtig ist das alles. Weil - was ich erreichen will ist, dass die Bedienung des Flugzeuges, das fliegen des Flugzeuges - mich über Hydraulik, Treibstoff, Triebwerke usw. zu kümmern - das muss komplett in den Hintergrund kommen, damit ich so viel Zeit wie möglich habe für die Aufgabe. Und so wie das Cockpit ausgelegt ist und wie die Information präsentiert wird habe ich immer sehr viel Mentalen "Überschuss". Ich muss mir keine großen Gedanken machen über ein Lagebild - das ist sehr einfach für jeden zu interpretieren - das kann jeder der einsteigt wirklich schneller begreifen als früher.
Das sehen wir auch wenn wir Simulationen machen, mit dem ganzen Waffensystem, in zwei Stunden werden da die kompliziertesten Szenarien geflogen. Die Symbolik ist einfach zu begreifen und die Schnittstelle insgesamt hervorragend gelungen und das sagt jeder der einsteigt. Kannst auch den Franz fragen, wie er sich da zurechtfand.

Georg Mader: Ich bin ja hinter dem Martin im Simulator gestanden und wir haben damals von draussen eine Simulation eingespielt wo man einen Transporter geschützt hat und dann kommen zwei Su-27 und die machen sofort einen Split, einer geht rauf, einer runter. Was zeichnet in solchen Situationen das Waffensystem Eurofighter aus, was es vorher nicht gab?

Chris Worning: Zum Beispiel wird das Waffensystem dann blitzschnell selbst ausrechnen, was deren potentielle Waffeneffektivität sein wird. Das Flugzeug das steigt hat natürlich eine wesentlich größere Reichweite mit seinen Waffen, vorausgesetzt, dass er mit seinem Radar gut nach unten sehen kann. Und auf meinen Displays wird dann das automatisch mit Prioritäten versehen. Das heißt wenn einer dann wegdreht und der andere plötzlich die größere Bedrohung, dann ändern sich die Prioritäten. Und wenn der Pilot die Ziele so in sein Waffensystem eingibt, und dann in weiterer Folge die Priorität nicht mehr dem entspricht was das Waffensystem ausrechnet, dann fängt eines der Symbole sofort an zu blinken und man merkt - da hat sich an den Prioritäten irgendwas geändert - man sollte sich überlegen die zu wechseln. Und mit einem Knopfdruck, kann ich die einfach so rotieren. Nur zum besseren Verständnis - wir sprechen da über Dinge, die nicht nur in unmittelbarer Nähe, sondern auch in weit über 100km Entfernung zum Flugzeug ablaufen können.

Georg Mader: Es heißt immer die neuen amerikanischen Designs sind viel mehr Netzwerkfighter als die europäischen Systeme - Rafael oder Eurofighter. Der JSF wird ja wieder so ein Netzwerkkämpfer. Wo steht da der Eurofighter? Der JSF wird ja irgendwo erst 2012 oder so auf die Märkte kommen. Bis dahin gibt's ja auch nicht für jeden Kunden dieses Netzwerk aus JSTARS und AWACS.

Chris Worning: Das Netzwerk was von allen bedient wird ist das NATO-kompatible "MIDS" und genau das Netzwerk benutzen wir auch. Das heißt alles was eine F-22 oder ein JSF derzeit in einem Netzwerk mitarbeiten kann, genau das können wir auch. Und was in Zukunft integriert wird, da werden wir natürlich mitgehen. Es gibt für die Zukunft Überlegungen Satcom Netzwerke zu bauen, da haben wir schon Vorbereitungen gemacht um Satcom einzurüsten. Das heißt wir sind auf genau dem gleichen Stand - was Netzwerkintegration angeht - wie die Amerikaner auch.
Und jeder Kunde kann an Netzwerkfähigkeiten integrieren was er hat. Man kann z.B. das Bodenradar einbauen und natürlich Eurofighter zu Eurofighter sowieso.
Netzwerk ist ja nichts anderes als ein Kommunikationssystem und jeder der auf dieser Frequenz am Netz ist, der kann teilnehmen. Natürlich wird der JSF damit besonders beworben. Aber ein JSF der exportiert wird in ein Land, das keine AWACS hat, ist in der gleichen Situation wie der Eurofighter in einem Land ohne AWACS - das ist kein anderes Netzwerk. Nur - der JSF wir im Bereich Luftvereidigung bei weitem nicht so fähig sein wie der Eurofighter - da müsste man F-22 kaufen.

Georg Mader: Welchen Stand haben derzeit die Ausbildungs- und Zertifizierungsflüge in Manching ?

Chris Worning: Wir haben letztes Jahr das "Entry into Service" gehabt. Die Luftwaffe hat sich entschlossen sehr früh mit dem Instructor-Pilot-Training zu beginnen. Wir haben 6 Leute fertig ausgebildet und die letzten 4 sind fast fertig - da fehlen für jeden so vier bis fünf Flüge. Wir werden noch im März auch diese vier fertig haben.

Georg Mader: Heißt das, die können schon übersiedeln nach Laage oder hängt das noch an den Technikern ?

Chris Worning: Was die LW-Techniker betrifft bin ich nicht auf dem letzten Stand, aber die arbeiten hier in Manching schon an den ausgelieferten Eurofightern. Der Laage-Verband ist hier in Manching. Woran wir derzeit arbeiten ist die formelle Musterzulassung, weil momentan ist die nur vorläufig - und das soll jetzt im April stattfinden. Und dann gehen die nach Laage.

Georg Mader: Wir waren ja im Februar noch mal in Manching - mit dem Rüdiger Knöpfel in der WTD-61. Und da gibt's noch so Sachen wie - die Techniker wissen am Flugzeug noch nicht "wohin mit ihren Laptops" (papierlose Wartung) und es gibt so kleine Handhabungsproblemchen die man nicht in Laage auf der Flightline haben möchte.

Chris Worning: Momentan werden auch hier in Manching mit dem sogenannten "Ground Support System" betrieben. Und da ist natürlich eine Lernkurve - und zwar für uns alle. Aber das alles ist Serienstandard und wird so nach Laage gehen.

Georg Mader: Nächste Frage - ich hab gelernt in der WDT-61 - ihr fliegt schon Luftkämpfe gegen eine MiG-29. Darf man darüber etwas sagen? Tut das Radar das was man von ihm erwartet?

Chris Worning: Die Kundenpiloten sind von unserem Sensor beeindruckt. Nicht nur das, er ist auch unheimlich leicht handzuhaben. Das läuft fast immer im automatischen Modus und tut genau das was man sich vorstellt. Degen die MiG-29 - schon in den ersten Gehversuchen im Luftkampf - ist der Eurofighter weit überlegen - auch im Nahkampf.

Georg Mader: Die Wehrtechnische Dienststelle nimmt ja ab was von der Industrie kommt. Gibt's irgendetwas, was die zurückweisen? Wo die sagen "Nein, das passt so nicht, das müsst ihr besser machen". Oder geht's da um Kleinigkeiten?

Chris Worning: Nein, das haben wir noch nicht gehabt, das etwas zurückgewiesen wurde. Was natürlich seit letzten Sommer sich gesammelt hat, ist eine Reihe von geplanten Modifikationen. Und die werden hier gebündelt, damit man sie in die Flugzeuge einrüsten kann. Vieles davon ist Software, da ist kein Teil zu wechseln. Und das werden wir noch einrüsten - und so gehen die Flugzeuge dann nach Laage.

Georg Mader: Bist du in irgendeiner Weise schon mit Vorbereitung oder Arbeiten für Tranche 2 beschäftigt?

Chris Worning: Für Tranche 2 ist es so - wir kennen die Funktionalitäten, die haben sich im Grunde nicht geändert, da sind aber in Tranche 2 eine ganze Reihe von Hardwareverbesserungen. Man versucht die Computer zu modernisieren damit man noch mehr Potential hat. Das ganze Paket liegt vor. Und da geht es jetzt darum, dass man die Preise fertig verhandelt und zu einer Unterschrift kommt. Die vier Nationen haben unterschiedliche Zeitpläne und es ist ganz klar, die Deutschen wollen unterschreiben so schnell es geht.

Georg Mader: Ganz im Gegensatz zu früher ! (lacht)

Chris Worning: Ja das kann man so sagen. Das freut uns natürlich.

Georg Mader: Wir kommen langsam ans Ende. Der DA7 macht ja die meisten Waffentests oder der IPA in Italien. Man sieht immer neue Waffen am Flugzeug - zuletzt IRIS-T und LGB.

Chris Worning: Das ist nicht ganz richtig. Die Italiener machen alle Verschüsse - aber ungelenkt. Da geht es nur darum, dass die Waffen sich richtig und vernünftig vom Flugzeug trennen. Auch Tankabwurf und solche Sachen. Die Waffenintegration auf Softwarebasis, so, dass das Flugzeug die Waffen richtig einsetzten kann, das der Datenlink zwischen Flugzeug und Waffe klappt, das haben wir fast alles in Manching gemacht. Bis jetzt haben wir zwei Kurzstreckenraketen - die AIM-9 und die ASRAAM. Als nächstes kommt IRIS-T. Und auch da geht es wie bei den LGBs um das Flugsteuerungssystem - das dass Flugzeug richtig auf das zusätzliche Gewicht reagiert. Die IRIS-T Integration fängt dieses Jahr an bei uns und dauert nicht mehr als ein Jahr. Die IRIS-T Integration passiert in zwei Stufen. Im ersten Release wird die Rakete wie eine Sidewinder benutzt und ein zweiter Schritt wird dann die volle Funktionalität. Wir werden mit IRIS-T noch vor der Auslieferung Tranche 2 vollkommen fertig sein.

Georg Mader: Frage zu Singapur. Wenn wir das richtig verstanden haben wollen die dort einen Zweisitzigen Striker mit rumpfkonformen Treibstofftanks. Wie wollt ihr das machen?

Chris Worning: Was die runmpfkonformen Tanks angeht ist das noch nicht offiziell. Aber das ist etwas, was von unserer Seite auch angeboten wird, wenn jemand Interesse hat - ist aber frühestens etwas für Tranche 2. Und das hängt natürlich auch ab davon, dass die Kunden Tranche 2 unterschreiben.

Georg Mader: Wäre ja auch für uns wichtig, dass das endlich mal unterschrieben wird.

Chris Worning: Ja natürlich. Weil die Zeit drängt. Wir brauchen eine Unterschrift dieses Jahr, damit wir die Termine noch halten können. Wobei es weiß das jeder, es wurden auch schon Vorleistungen gebracht und es will niemand die Termine gefährden.

Georg Mader: Letzte Frage. Weil ich gestern wieder Neuigkeiten über die F-22 gelesen habe. Eine Menge Troubles. Es gehen sich finanziell nur noch 217 Stück aus und erst im Dezember wird man wissen ob man, wann man in Serie und nicht nur in stückweise genehmigter Vorserie produzieren wird können. Was sagst du dazu?

Chris Worning: Gemessen an der Zeitspanne - also wenn man überlegt wann die zuerst geflogen sind (Erstflug 29.09.90), haben wir denen jetzt schon drei bis vier Jahre abgeknöpft. Und das was ich sehe und was ich höre...
Letzten Sommer war ich in Edwards, wo wir Probeflüge gemacht haben für unser Helmdisplay in einer F-16. Und da haben die Amerikaner so in bisschen über Raptor gesprochen. Und die müssen extreme Probleme haben. Die haben halt in das Flugzeug alles integriert über einen einzigen Computer - da ist so ein riesen Computer drinnen der ausser Flugsteuerung eigentlich alles macht. Und da bin ich eigentlich sehr froh über unsere Avionikarchitektur. In diese "fünf Familien" ist sehr viel Redundanz eingebaut. Wenn uns etwas ausfällt, dann übernimmt ein anderer Computer die wesentlichen Funktionen des defekten Systems.
Die Amerikaner haben halt das Problem, dass wen dieser Computer abstürzt oder Fehler hat, dann geht alles unter - inklusive Kommunikation, Navigation und allem. Und die Piloten haben erzählt, sie haben jetzt Vorrichtungen im Cockpit wo sie ein Handy eingebaut haben, damit der Pilot mit unten telefonieren kann wenn nichts mehr geht. Da muss ich sagen, was wir bei uns haben ist ein serienreifes Flugzeug und in USA ist das immer noch im Prototypenstadium.