Rechnungshof: Entscheidung für den Eurofighter richtig, Auswahlverfahren mangelhaft.
Freude auf Regierungsseite, Opposition sieht sich in Kritik bestätigt

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Die Vertreter der Regierung erkennen im Papier des Rechnungshofes eine Bestätigung der getroffenen Entscheidung.
Allen voran zeigte sich Bundeskanzler Schüssel erfreut über die Feststellungen im Rechnungshofbericht. Ebenso andere Vertreter der Regierungsparteien wie FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner, der nach eigener Aussage "nicht überrascht aber erfreut" sei, ÖVP-Rechnungshofsprecher Abg. Hermann Gahr, der feststellte, dass die Bezeichnung Bestbieter den "wichtigsten Kritikpunkt der Opposition endgültig wegwischt", ÖVP-Wehrsprecher Abg.z.NR Walter Murauer, der den Bereicht als "sehr erfreulich" und die Kritik der Opposition an der Eurofighter-Entscheidung als obsolet betrachtet sowie der FPÖ-Wehrsprecher und Obmann des Landesverteidigungsausschusses Abg. Dr. Reinhard E. Bösch der "den positiven RH-Bericht über den Ankauf der neue Abfangjäger für das Bundesheer als Bestätigung für die konstruktive Sicherheitspolitik der Regierung und die gewissenhafte Amtsführung des ehemaligen Verteidigungsministers Herbert Scheibner" ansieht.

Wie kaum anders zu erwarten - und in fraglicher Sachlage nie anders durchgeführt - ist die Opposition anderer Ansicht.
Für SPÖ-Klubobmann Josef Cap "bestätigt der RH-Prüfbericht die SPÖ-Kritik am Eurofighter", SPÖ-Wehrsprecher Anton Gaal spricht von der "teuersten Fehlinvestition der Zweiten Republik" , der Kärntner SP-Chef, LHStv. Peter Ambrozy erachtet die "Abfangjäger-Stornierung nach RH-Bericht als notwendig" und bezeichnet die Ausklammerung der Betriebskosten "fast als fahrlässig". Für den Vorsitzende des Rechnungshofausschusses und Budgetsprecher der Grünen, Werner Kogler, bestätigt der Rechnungshofbericht zentrale Vorwürfe an der Eurofighter-Entscheidung, Manipulation und Willkürakte im Beschaffungsvorgang seien nicht auszuschließen.

Conrad Seidl schreibt im Standard, dass "man damit leben muss, dass die Entscheidung für den Eurofighter politisch umstritten bleibt" und trifft damit in einem Satz den Kern der Sache.
Ein wie immer geartetes "ablegen" der Sache ist also auszuschließen. So wie beim ganzen Thema Landesverteidigung/Sicherheitspolitik werden die politischen Parteien auch in Hinkunft keine gemeinsame Sicht der Dinge in Fragen Abfangjäger/Eurofighter entwickeln können.

Dass die Bevölkerung ganz allgemein vom Thema Abfangjäger schon "genug" hat - und ganz nebenbei bemerkt viel wichtigere politische Sachlagen, welche weitaus mehr Interesse wecken, zu klären wären - wird im tagespolitischen Lieblingsgeplänkel offenbar übergangen oder verdrängt. Glücklich ist wer vergisst.....

Die Prüfung des Rechnungshofes im einzelnen

Anmerkung: Da ein simpler Bericht über den RH-Befund sowieso in allen Tageszeitungen nachzulesen ist habe ich hier meine Gedanken zum Prüfungsergebnis wiedergegeben. Jeder der das lieber "unbefangen" lesen möchte, findet unten den Link zum Download des Berichtes direkt vom Rechnungshof.

Was vielen getätigten Anschuldigungen betrifft stellt der RH für den Bereich des BMLV und die Politik entlastend fest, dass bei der Angebotseinholung und der Bewertung keine Einflussnahme auf Bedienstete des BMLV zwecks Präferierung eines bestimmten Kampfflugzeuges nachgewiesen werden konnte.
Was die Auswahl der Type durch das BMLV betrifft hat dieses unter Zugrundelegung der vom BMLV festgelegten Kosten-Nutzwertanalyse das Kampfflugzeug Eurofighter zutreffend als Bestbieter ermittelt.
Um die Richtigkeit dieser entscheidenden Analyse zu überprüfen erstellte der RH ein IT-gestütztes Simulationsmodell und berechnete mit mehreren Variablen insgesamt 42 Bewertungsmodelle um festzustellen inwieweit ein Bietersturz eintreten könnte.
Aus Sicht des RH war das Ergebnis der Kosten-Nutzwertanalyse durch das BMLV für die Ermittlung des Bestbieters geeignet, nachvollziehbar und mathematisch abgesichert.
An diesem Kern - in dem sich die Regierung wie BMLV zurecht bestätigt fühlt und der Mauscheleien zugunsten des Eurofighters de facto ausschließt - kann die Opposition nicht vorbei.

Dass darüber hinaus der RH jede Menge andere Kritikpunkte gefunden hat steht aber auch im Bericht. Manche davon sind für Regierung und/oder BMLV wenig löblich.

In der ersten Angebotseinholung sind alle Bieter ausgeschieden
Daran sind aber neben den harschen Leitungskriterien des BMLV nicht zuletzt die Bieter selbst schuld. Z.B. wurden statt geforderter Festpreise von Saab "Gleitpreise" geboten. Was für ein Fehler! Die wären als einziger mit einem der Ausschreibung entsprechenden Angebot dagestanden. So leichtfertig vergibt man Spiel, Satz und Sieg in der ersten Runde.

Dassault, welche wegen der Zwischenlösung in der ersten Runde nicht geboten hatte, wurde in der zweiten Runde nicht noch mal zur Anbotslegung aufgefordert.
Das BMLV nahm zu diesem Sachverhalt nicht Stellung.
Schade. Das hat eventuell einen sehr interessannten Bieter gekostet. Mir hätte die Mirage 2000-5 hervorragend gefallen.

Was geforderte - und erzielte - Preisnachlässe betrifft konnte der RH keine Ursache dafür feststellen.
Interessant - aber für das Ergebnis letztendlich folgenlos.

Interessanter schon, dass für Gripen und F-16 geforderte Ersatzteilpreislisten nicht vorlagen und laut RH hier Musskriterien nicht erfüllt waren - das BMLV ist hier anderer Meinung.

Zu spät nach Ansicht des RH das Ausscheiden der F-16. Auch hierzu nahm das BMLV nicht Stellung.
Hier muss allerdings von unserer Seite erwähnt werden, dass das BMLV äußerst bemüht war das Rennen offen zu halten und es dem amerikanischen Anbieter im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zeitlich und formell ermöglicht wurde nachzubessern. Daran, dass einem preisgünstigen Bieter - durch eine flexiblere Handhabung - ermöglicht wird dabei zu bleiben und eventuell am finalen Preiskampf mitzumachen, kann im Sinne des Steuerzahlers ja wohl kein Fehler sein.

Einer der härtesten Kritikpunkte - und Ansatzpunkt für die Opposition - ist die späte Wahl der Zahlungsvariante.
Absolut Ungeschickt. Denn von vornherein war klar, dass nur eine Langfristfinanzierung in Frage kommt. Und eine entsprechende budgetäre Vorbereitung, um auf ein mal die Barpreissumme im Budget unterzubringen, wurde ja nie auch nur Ansatzweise überlegt oder gar in Angriff genommen.

Dass die Höhe des Ankaufspreises vom BMF nicht begrenzt wurde ist ein weiterer Kritikpunkt.
Äußerst fraglich ob dies angesichts der teils erheblichen Unterschätzung der kolportierten Stückkosten zu entsprechenden Angeboten gemäß Ausschreibung geführt hätte.

Was den Part der Vergabeempfehlung betrifft so widmet der Rechnungshof den "Preisspielchen" der Regierung einigen Raum.
Dass die kolportierte Summe von EUR 1,791 Mrd. sich nicht lange halten konnte, hätte den Verantwortlichen jedoch schon damals bewusst sein müssen. Lügen haben eben kurze Beine.

Das eine Flugerprobung des Eurofighter in Österreich - trotz entsprechendem Angebot des Konsortiums - nicht wahrgenommen wurde, bemängelt der Rechnungshof ebenfalls.
Dazu ist aber festzustellen, dass Eurofighter (Prototyp, Zweisitzer) nicht gleich Eurofighter (Serie, Einsitzer) ist, genauso wenig wie ein Gripen (Baulos 2, Zweisitzer) nicht ein Gripen (Baulos 3, Export, Einsitzer) ist. Und selbst die F-16 war in einer bis dato nicht gefertigten Konfiguration samt unerprobtem Radar angeboten worden.
Die im Rechnungshofbericht angesprochenen Flugerprobungen waren 1996/1997 durchgeführt worden.
Alle beiden Kandidaten - Gripen wie Eurofighter - weisen in den ausgeschriebenen/gekauften Varianten gegenüber der erprobten bzw. nicht-erprobten Variante radikale Änderungen im entscheidenden Bereich "Bordelektronik" auf. Die Schlüsse aus solchen Flugtests wären somit bestenfalls nur mehr sehr bedingt aussagekräftig, eventuell verzerrend, im schlimmsten denkbaren Fall eventuell sogar total falsch. Immerhin kann eine simple Softwareänderung die Leistung z.B. eines modernen Radarsystems geradezu revolutionär ändern.
Es steht rational betrachtet auch nicht zu erwarten, dass eine solche Flugerprobung neue Erkenntnisse erbringen könnte - immerhin sind am Projekt Eurofighter zum Teil die selben Haupt- und Subunternehmer - mit der selben Technologie, teils sogar mit den selben Bauteilen - beteiligt wie am Gripen.

Generell muss hier gesagt werden, dass vor allem in der Luftfahrtbranche die Uhren generell gewaltig anders laufen als man es sich hier offenbar von Seiten des RH vorstellt.
Bei allen modernen Luftfahrzeugen - ob zivil oder militärisch - sind Entwicklungs- und Fertigungszeiten mit den Lieferfristen so verschachtelt, dass die aktuell angebotenen neuen Modelle allenfalls als Prototyp - oft aber auch nur am Papier existieren. Zu erwähnen wäre hier z.B. der Airbus A-380 oder der Militärtransporter A-400M - beide weit über 100fach fix bestellt obwohl nicht einmal ein Prototyp existiert.
Und nicht zuletzt sind auch die österreichischen Black Hawk Hubschrauber in einer Variante bestellt und geliefert worden, die es vorher noch nie gab.
Es ist also heutzutage nicht ungewöhnlich sondern durchaus übliche Geschäftspraxis, dass Flugzeuge ganz ohne Flugerprobung ver- und gekauft werden - und das zivil wie auch militärisch. Die Zu- und Absicherung der gestellten Leistungserfordernisse erfolgt hier durchaus branchenüblich in vertraglicher Form.
Eine Flugerprobung kann somit auch für die Zukunft kein unabdingbares Erfordernis für eine allenfalls durchzuführende Beschaffung sein. Sie kann jedoch sehr wohl Eckdaten und eine Marktübersicht über aktuelle Leistungsnormen liefern, in Bereichen wo der eigene Wissensstand eventuell Jahrzehnte hinter der aktuellen Technologie liegt (so wie bei uns 96/97 mit dem 60er Jahre Draken).

Eine weitere Problematik mit der sich der Rechnungshof näher beschäftigt ist der Bereich "Betriebskosten". Das diese nicht zur Bewertung herangezogen wurden bemängelt der Rechnungshof.
Wahr ist, dass in den meisten Ländern, die solche Flugzeuge beschaffen, den Betriebskosten mehr Aufmerksamkeit zuteil werden, diese in der Regel sogar in der Bewertung Berücksichtigung finden.
Äußerst problematisch ist dabei nur - es gibt keine allgemein gültige Berechnungsmethode für diesen Faktor. Ein Umstand, der für Manipulationen - sowohl durch die Bieter als auch durch den potentiellen Käufer - breiten Raum ermöglicht - und dann letztendlich ebenfalls Raum für neue RH-Kritik schafft.
Denn die von den Anbietern gelieferten Zahlen und Daten waren "kaum vergleichbar". Sie beruhten auf unterschiedlichen Personalstrukturen, anderen Arbeitsabläufen, sowie verschiedenen Einsatzprofile und Verwendungsabläufen und mussten durch das BMLV selbst auf vergleichbare Zahlen umgerechnet werden - für die es dann keine rechtsverbindliche Zusage durch den Anbieter geben kann - womit deren Aussagekraft schlussendlich erst recht wieder in Frage zu stellen ist.
Außerdem stellt sich hier auch die Frage welche Werte man im einzelnen in diese Betriebskosten-Berechnung einfließen lässt.
So gibt es von den Herstellern z.B. äußerst unterschiedliche Garantien was die technische Verlässlichkeit ihrer Fluggeräte betrifft.
Für den Eurofighter besteht z.B. eine Leistungsanforderung, laut der maximal ein Absturz pro 100.000 Flugstunden auf aus technische Ursachen anrechenbar sein darf - ein Wert der dreimal besser ist als jener der Konkurrenz.
Da mit jedem Absturz die Menge an Flugstunden-Leistung sinkt, die sich aus dem System ziehen lässt, bzw. eventuell zuzüglich Nachbeschaffungskosten entstehen, ändert dieses auch die Betriebskosten-Berechnung entsprechend.
Und was ist, wenn dann - man erinnere an die Draken-Beschaffung - entgegen allen getätigten Aussagen und Berechnungen, doch kein Flugzeug abstürzt (sicherlich zum allergrößten Bedauern so mancher Gegner) ?
Vollends in den Bereich der Spekulation gerät man, wenn man die möglichen Kosten einer eventuellen Modernisierung des Systems während der Lebensdauer abschätzen möchte. Diese lässt sich moderat durchführen, wenn genug Interessenten dahinter stehen (als Beispiel nehme man hier die F-16 MLU) und wird zur unleistbaren Einzellösung wenn man ganz alleine mit dem Hersteller über eine eventuell gewünschte Modifikation verhandeln muss.
Kritik kann man in solchen Bereichen jedenfalls anbringen, egal ob diese Punkte in einer Ausschreibung enthalten sind oder nicht, denn die Militärluftfahrt bewegt sich hier entgegen der Zivilluftfahrt nicht in leicht berechenbaren "Sitzplatzkosten" und "Gewichtsklassen".

Aber wie sagte schon mal ein Österreichischer Bundeskanzler: "Es ist alles sehr kompliziert". Und auch wenn man ihn für diesen Satz geprügelt hat, sehr viel richtiger hat er damit kaum liegen können.

Gegengeschäfte

Generell bemängelt der RH, dass keine Nachweise über das fristgerechte Einlangen der Gegengeschäftsangebote im BMWA aufgefunden werden konnten. Das BMWA möchte hier in Zukunft für eine noch bessere Dokumentation sorgen.

Parallel zum Flugzeug wurde auch ein IT-Modell für das Bewertungsschema der Gegengeschäfte durch den RH entworfen. Dem RH war die Bandbreite der Bewertungsmöglichkeiten zu hoch und die Bewertungsmethode des BMWA bevorzugte laut RH höherpreisige Angebot. Der RH empfahl hier den Projektwert in Relation zum Grundgeschäft zu setzen.

Auch im Bereich der Gegengeschäfte gab es keine ausschreibungskonformen Angebote. Lockheed Martin bot nur 100% statt der geforderten 200% Kompensation, die anderen beiden Bieter nur 5% statt der geforderten 10% Pönale bei Nichterfüllung.

Wohl einer der schlimmsten Kritikpunkte im Bereich des BMWA - der RH konnte nicht feststellen ob das Bewertungsschema für die Gegengeschäfte jemals angewendet wurde oder überhaupt tauglich war. Der RH bemängelt eine oberflächliche Projektführung welche eine schlüssige, aussagekräftige und nachvollziehbare Gesamtbewertung nicht ermögliche.

Einfluss auf die Auswahl des Eurofighters hatten die Gegengeschäfte laut RH aber keinen. Denn die Gegengeschäfte werden nur dann bewertet, wenn annähernd Gleichwertigkeit (bis zur dritten Stelle hinter dem Koma) bei den Abfangjägern gegeben gewesen wäre.

Der RH-Bericht zum Download

Martin Rosenkranz